Verbotene Kontakte zu Einheimischen
In Asmara ist unsere erste Anlaufstelle wieder das
Hotel Ambassador. Dort ist aber nur die Suite frei. Ok, warum nicht, noch etwas Luxus zum Abschluss, für 30 Euro. Es ist noch etwas Zeit zum Ausruhen. Der letzte Abend dürfte aufregend werden. Nejat möchte in das einzige Etablissement, das von der Polizei überwacht wird hinsichtlich verbotener Kontakte zu Einheimischen. Die Grenzen sind hier etwas fließend und oft Auslegungssache. Warum sie es sich in den Kopf gesetzt hat, gerade in den Berhe Aiba Club zu gehen, keine Ahnung. Ist mir aber Recht. Das Ganze hat etwas Verrufenes und klingt nach Abenteuer. Da bin ich dabei. Was passieren würde wenn es tatsächlich schief geht, daran denke ich natürlich nicht.
Gegen 22.30 Uhr fahren wir los. Nejat hat sich mittlerweile in eine Discomaus in Weiß verwandelt.
Das Taxi lässt mich 100 Meter vor dem Club raus, dreht eine Runde, dann steigt Nejat aus. Das Theater finde ich ziemlich albern. Es handelt sich um ein normales Restaurant mit Bar nebenan. Von Anbahnung verbotener Beziehungen kann nun wirklich nicht die Rede sein, die Girls, ca. 20, und die Männer, auch etwa soviel, alles Schwarze sowie zwei Osteuropäer, sitzen sauber getrennt voneinander.
Da Nejat nach mir kommt, werfe ich schon mal einen Blick in die Bar - vor lauter Schreck über die Blicke der Girls flüchte ich aber gleich ins Lokal. Mit Nejat fühle ich mich sicherer und nach einer Stunde wollen wir in die Disco des Luxushotels Interconti in der Nähe. Nejat besteht darauf, wieder getrennt zu gehen und will mit dem Taxi fahren, ich komme 5 Minuten später zu Fuß nach.
20 Meter nach Verlassen des Clubs taucht plötzlich Militär auf, nicht ungewöhnlich, nachts stehen hier an jeder Straßenecke Pärchen mit durchgeladenem Maschinengewehr. Die Beiden halten mich aber an, fragen in schlechtem Englisch nach meinem Barbesuch. Ich habe ziemlich Bammel, vor allem fürchte ich, dass Nejat Probleme bekommen hat.
Da mir nichts Besseres einfällt, gebe ich vor nichts zu verstehen und rede irgendetwas auf Deutsch. Sie schauen etwas ratlos, dann wollen sie meinen Pass sehen, mit dem aber alles in Ordnung ist und lassen mich ziehen. Als ich Nejat an der Rezeption des Interconti auf mich warten sehe, bin ich ziemlich erleichtert.
In der Hoteldisco „Green Pub“ haben sich offenbar sämtliche gerade in Eritrea weilenden Weißen versammelt. So viele habe ich im ganzen Urlaub insgesamt noch nicht gesehen. Ca. 30 Girls sind anwesend, manche sind aus dem Berhe Aiba hierher gewechselt.
Auch hier geht es züchtig zu. Alles ist hell erleuchtet, ein paar wenige haben Anhang, aber die scheinen sich schon länger zu kennen. Vom Aussehen her ist alles vertreten, zwei, drei echte Schönheiten, manche eher hässlich, der Rest Geschmackssache, aber oft sexy angezogen.
Ein einsamer Blonder fällt mir auf, Marke Dieter Bohlen. Ich falle ihm wohl auch auf, vielmehr Nejat. Er ist Lufthansa-Steward, auf dem Rückflug sehe ich ihn wieder. Er spricht mich im Flieger an und sagt, ich hätte gestern Abend im Green Pub die zauberhafteste Begleitung gehabt, die er je gesehen hätte. Danach sorgt er sich sehr um mein kulinarisches Wohlergehen an Bord. Vielleicht hat er die Hoffnung, dass ich ihm Nejats Adresse und Telefonnummer gebe.
Musik und Stimmung sind nicht berauschend. Gegen 2 Uhr geht es dann in den Warsa Club, wo ich letztes Wochenende schon war. Die Türsteher und Kellner erkennen mich gleich wieder. Sehr viele Weiße scheinen sich dorthin wohl nicht zu verirren.
Die Szene ist die gleiche wie letzte Woche, wieder spielt eine Live Band eritreische Disco Musik, vor allem laut. Wurde in Massawa noch typisch afrikanisch getanzt, herrscht hier der eritreische Tantstil vor. Sogar ich wage mich nun auf die Tanzfläche, die heimische Tanzweise kommt mir sehr entgegen. Man bewegt sich vorwiegend - gar nicht, hebt ab und zu mal die Schultern und dreht den Kopf, das wars schon. Das kann ich gut. Nejat ist überglücklich, dass ich auch mit tanze. Vielleicht hätte ich das schon früher mal tun sollen.
Nejat wird mit zunehmenden Alkoholkonsum immer wilder und knutscht wieder auf das Heftigste. Aber was in den dunklen Ecken der Torino Disco in Massawa ging, wird hier nicht gern gesehen. Als sie auf meinem Schoß sitzt wird es der Security zu bunt, sie wird verwarnt und auf ihren eigenen Stuhl verwiesen.
Im Morgengrauen erst kommen wir nach Hause. Die erste Nummer müssen wir beide wegen leichter Übelkeit abbrechen, die nächsten werden später umso schöner.
Das Hotelzimmer kann ich bis abends behalten. Nejat kommt den ganzen Tag nicht aus dem Bett, ich mache noch einen abschließenden Spaziergang.
Erst kurz bevor wir zum Flughafen fahren, regele ich die Geldfrage. Ich habe Schwierigkeiten befürchtet, da Nejat manchmal etwas geldfordernd war im Alltag. Den Tarif in Massawa kenne ich, 400 Nakfa LT, 20 Euro. Wir waren 6 Nächte zusammen, ich gebe ihr 100 Euro, außerdem hatte ich schon vorher ihre Miete u.a. bezahlt, 50 Euro. Ist also etwas mehr. Aber dafür stand sie mir auch 6 Tage und Nächte zur Verfügung, allerdings auch ich ihr. In dieser Zeit habe ich auch sämtliche anderen Kosten übernommen, Verpflegung, Mehraufwand im Hotel für Doppel- statt Einzelzimmer, Taxi-, Busfahrten u.a., etwa 20 Euro pro Tag. Auf dem Schwarzmarkt bei dem Jamaika-Eritreer in Massawa kann Nejat noch etwas mehr Nakfa für die Euro bekommen. Ich bin positiv überrascht. Sie bedankt sich artig und nimmt das Geld, keine Bitte um mehr.
Über den Abschied hatte ich mir gar keine Gedanken gemacht. Wir nehmen ein Taxi zum Airport, ich steige vorne ein weil der Taxifahrer mich dazu auffordert, sie hinten mit meiner Reisetasche.
Am Flughafen ist alles voller Militär. Wir steigen aus und werden neugierig gemustert. Nejat kann nicht mit auf das Gelände und muss gleich wieder umkehren. Wir stehen uns etwas ratlos gegenüber. Dann umarmen wir uns aber doch, ein Kuss, sie springt ins Taxi, wirft mir noch einen Handkuss zu und fährt davon. Die Jungs in der Trachtenuniform begutachten meine Papiere nun besonders sorgfältig, sagen aber nichts und lassen mich schließlich durch.
Und tschüss ...
Zu meinem Abschied weint der Himmel über Asmara. Es ist kalt geworden, selbst ich ziehe nun meine Jacke an. Das macht den Abschied leichter. Der aber sowieso nicht so schwer fällt wie bei meinen früheren Reisen. Was nicht heißt, das es mir nicht gefallen hat. Meine Erwartungen haben sich voll erfüllt. Das was ich mir vorgenommen habe, habe ich gemacht. Sogar etwas Relaxen war dabei, die Idee vom Erholungsurlaub war also gar nicht so abwegig.
Ich war in Eritrea, kann wieder ein Kreuzchen machen für ein weiteres Land auf der Weltkarte (ich zähle aber nur die außereuropäischen Länder). Ich habe vorwiegend das angenehme Eritrea gesehen, darüber bin ich mir bewusst. Die bittere Armut habe ich allenfalls durch die Busscheiben auf den Überlandfahrten erahnen können. Selbst das karge Wellblechhüttenleben von Nejat und ihren Freundinnen ist noch ein gutes Stück davon entfernt. Von dieser Art der Armut höre ich durch Erzählungen von NGO-Mitarbeitern auf dem Flughafen. Auch von der mittlerweile unfähigen Regierung, die das noch verbliebene ausländische Kapital aus dem Land treibt. Ich hoffe, Eritrea kriegt die Kurve. Das hoffe ich für die überaus freundlichen Menschen dort wirklich sehr.
Nachwort (10 Jahre später)
Soweit mein damaliger Reisebericht. Aus meinem frommen Wunsch auf Besserung ist natürlich nichts geworden. Das dürfte im Zuge der aktuellen Flüchtlingsdiskussion auch denjenigen klar sein, die vor kurzem noch gar nicht wussten, wo das Land überhaupt liegt.
***** E N D E *****