Ich bin der dritte, der das so bestätigen kann.
Was man in Bezug auf die Umfrage allerdings beachten muss und warum diese kein Widerspruch zu den subjektiven Eindrücken und family-Feedbacks von
@Taldren ,
@Stalker und mir ist: Unter "Pattaya" als Reisedestination wird von Thais der gesamte Küstenabschnitt wahrgenommen, also bis runter nach Bang Sare. Tatsächlich ist dies eine Gegend, die bei Thais an Attraktivität z.B. für Wochenendtrips, zugenommen hat: Strände, Water Parks, Nochnuch, usw usw. Downtown Pattaya sind Malls, Kinos u.ä. interessant. Der Besuch der Walking Street ist für Thais so eine Art Zoo-Besichtigung mit dem bekannten Unfall-Effekt: Man mag eigentlich nicht hinsehen, kann es aber doch nicht lassen. Die Sextouri-Areas Buakhao, Soi 6 usw. sind für viele urlaubende Thais, die beruflich nichts mit dem Business zu tun haben, dagegen alles Orte zum Fremdschämen. Die Behauptung also, die im Mittelpunktes des Filmes stehenden Bereiche von Pattaya seien ja durch das Branding von Pattaya insgesamt als Familienurlaubsdestination irgendwie "reingewaschen", ist nach meiner Einschätzung so nicht zu halten.
Zu der Doku selbst aus meiner Sicht:
1. Die Fakten stimmen alle.
2. Das Ding ist schnödderig gemacht. Hier hat jemand einfach sein altes Sendekonzept von 2005 nahezu 1 zu 1 nochmal remaked, ohne allerdings darauf hinzuweisen. Ehrlicher wäre gewesen, auf die alte Reportage Bezug zu nehmen und zu fragen: "Hat sich was geändert" bzw. "warum ist es immer noch so" statt eine Doublette zu machen, die sogar im Titel identisch ist.
3. Natürlich werden die O-Töne der Protgagonisten so ausgewählt, dass es zur Story passt. In der Regel sind das ja wenige Aussagen aus einigen Interview-Stunden und Begleitungen. Herrn Rill zum Beispiel sieht man sowohl am Beach als auch des Abends. Den hat das Team offenbar mehrfach mit Kamera begleitet. Für Nicht-Profis ist offenbar nicht klar, dass dann rausgenommen wird, was "passt". Aber wenn man ein wenig drüber nachdenkt, muss einem ja klar sein, dass man nicht drei Stunden im TV gezeigt wird, sondern nur Ausschnitte. Deshalb muss im Prinzip jeder Satz und jede Szene sitzen, was aber von Nicht-Profis kaum geleistet werden kann. Anyhow: Natürlich wurden alle diese Sätze so gesagt wie gesendet. Das kann man der Redaktion nicht zum Vorwurf machen.
4. Dass der Youtuber nicht mal während des Interviews aufhören kann, an seinem Handy rumzuspielen und Tinder oder TF zu checken und damit zumindest bei mir einen fatalen Eindruck hinterlässt, liegt voll in seiner eigenen Verantwortung. In der Verantwortung des Redakteurs liegt es hingegen, dass er so eine Type - gerade mal seit einem halben Jahr in Thailand - dann zum einzigen Erklärbär für asiatische Kultur in Bezug auf Beziehungen, Familie, Geld usw. einbaut. Das hätte er sicher mit anderen Gesprächspartnern aussagekräftiger und seriöser darstellen können, wenn er gewollt hätte.
4. Herr Luck berichtet von den "Slums von Pattaya", während er durch eine ziemlich normale Soi auf der Seite der Sukhumvit Richtung Inland fährt, unter anderem fährt er dabei an einem von Thai und Farang gut besuchten, einträglichen Thai-Boxing-Stall vorbei.. Ohne Zweifel: in Pattaya gibt es viele Szenen himmelschreiender Armut weniger Meter von purem Luxus entfernt. Aber einen oder mehrere "Slums" im Sinne dieser städtebaulichen Klassifizierung gibt es nicht. Es gibt Behausungen, die in unserem Sinne ärmlich wirken, aber für viele Thais ganz normal sind. Und es gibt erschreckende Wohnistuationen, die man seinem ärgsten Feind nicht wünscht. Meistens liegt das alles bunt gewürfelt nebeneinander in Pattaya. Einen "Slumstadtteil" wie man in aus asiatischen oder afrikanischen Millionenstädten kennt, gibt es in Pattaya anders als suggeriert, nicht.
5. Herr Luck verwendet die Eigenwerbung des Selina Place über die YT-Vermarktungsplattform "Queen of Pattaya" als eine Unterkunft, in der angeblich das Zimmermädchen gleich dazu gebucht werden kann. Nicht er behauptet das, sondern das wurde in dem entsprechenden Video von QoP entsprechend suggeriert und er hat die Filmszene übernommen. Kann man ihm nicht vorwerfen, genauso wenig aufgrund dieser Selbstdarstellung mal bei Reiseveranstaltern nachzufragen. Dass jedoch "Zimmer+Lady incl." ein gängiges Geschäftsmodell von Hotels in Pattaya ist, wäre mir neu. By the way: Wenn Luck schon ein Remake macht, dann wäre zum Beispiel der Einsatz von Internet und social media bei Vermarktung und "Partnersuche" im Business ein dankbares Thema gewesen, um keine Doublette zu produzieren. Im Gegensatz zu anderen, spannenderen Reportagen wird darauf sowohl in Bezug auf Prostitution allgemein als auch im Bezug auf Prostitution mit Minderjährigen kaum Bezug genommen, obwohl dies ohne Zweifel ein schwerwiegender, "neuer" Sachverhalt ist.
6. Es ist unbestreitbar, dass in Pattaya Mißbrauch bzw. Sex mit Minderjährigen gesucht und gefunden wird. Zum einen kennen wir alle die kleinen Kinder, die des Nachts in den Barvierteln rumstreifen und Kaugummis verkaufen. Ich habe keine Ahnung, was mit diesen Kindern noch alles möglich ist, aber alleine die Tatsache, nachts durch die Bars geschickt zu werden um irgendwas zu verkaufen, IST bereits Kindesmissbrauch. Er findet in Pattaya jeden Abend sichtbar unter unseren Augen statt, mal mehr, mal weniger. Das ist einfach nicht zu leugnen. Und es sind genau die Momente, die mir zum Beispiel jeden Spass an diesem Ort verleiden und mich augenblicklich diesen Ort hassen lassen und ich mit mir selber ringe, ob ich da auch nur für einen Tag lang richtig bin. Dieser Zwiespalt begleitet mich persönlich immer in Pattaya. Und es ist ein schwacher Trost, dass es dies an viel zu viele Orten in der Welt auch gibt. Zum zweiten ist es ebenso unbestreitbar, dass in Pattaya die Möglichkeit besteht, mit Minderjährigen - also Teenagern - in einen bezahlten sexuellen Kontakt zu treten. Zwei Minuten Suche auf YT führt zu Videos dieser Cobra Bar, die dies in aller Eindeutigkeit dokumentieren. Es sind keine Kinder, sondern Heranwachsende. Und ja sicher, viele thailändische Frauen wirken in unseren Augen jünger als sie sind. Meine auch. Aber dass viele unsere Geschlechtsgenossen Pattaya ganz bewusst ansteuern, um mit möglichst jungen Frauen in einschlägigen Kontakt zu treten, ist für mich eine Binsenweisheit. Und dass das Angebot dann auf diese Nachfrage reagiert, ist selbstredend. Rechtliche Grenzen sind dafür definiert, moralische Grenzen muss jeder mit sich selbst ausmachen. Vielleicht hilft es ja dabei, in einem lichten Moment sich einmal kurz ins Gegenüber zu versetzen, um seinen Kompass zu justieren. Und zwar bevor die 15-, 16-, 17-, 18-, 19- oder 20jährige ins Hotelzimmer kotzt wie von dem gezeigten A...loch aus Ffm geschildert.
Schlussbemerrkung 1:
Die Doku ist nicht mehr online!
Laut Youtuber Stefan aus dem Film ist sie heute Nacht gegen 3 Uhr MEZ vom Netz genommen worden und ist tatsächlich derzeit via ARD Mediathek nicht mehr zu streamen. Das ist ungewöhnlich, da normalerweise alle Dokus der Reihe "45min" dort über viele Monate noch zu sehen sind. Nun kann man spekulieren, woran das liegt. Gab es eine NDR-interne Intervention aufgrund der handwerklichen Defizite oder gar aufgrund von sachlichen Fehlern? Gab es eine rechtliche Intervention eines oder einer der Protagonisten? Gab es eine diplomatische Intervention? Mal sehen, ob es hierzu weitere Infos oder Stellungnahmen gibt.
Schlussbemerkung 2:
Pattaya ist so wie es ist und viel von dem, was den Ort ausmacht, ist in der Doku dargestellt worden. Eine "gute" Doku war das (s.o.) für mich trotzdem nicht. Sehr oberflächlich, null Neuigkeitswert, handwerklich mindestens Schnitzer. Aber niemand soll glauben, dass eine besser gemachte Doku, frei von handwerklichen Schnitzern, mit professionelleren Protagonisten, wegen mir mit "Pro" und "Contra" etwas anderes zeigen könnte, als das, was ist. Oder anders gesagt, mit einem Satz meiner vollkommen unschuldigen und unwissenden Mutter, damals 79jährig, nach fünfzehn Minuten Autofahrt durch Pattaya von der Sukhumvit zum Central Festival: "Ach du lieber Himmel. So viele alte Männer!"