Unverhoffte Wendungen
Maha Sarakham April 2014 Teil 6
Songkran
Songkran, das thailändische Neujahrsfest stand vor der Tür. Hier noch einmal, weil es so schön passt, ein früherer Beitrag von mir mit ein paar Hintergrund-Infos.
Wasser bedeutet Leben. Unser Planet ist mit über zwei Dritteln damit bedeckt. Nicht nur das. Alle Lebewesen und die Pflanzenwelt tragen es in sich. Jede einzelne Zelle benötigt Wasser, um zu funktionieren. Sogar die selbsternannte Krönung der Schöpfung, der Mensch, besteht zu etwa 60 bis 70% aus dieser Flüssigkeit. Auf dem Rest basieren seine Arroganz, seine Träume und seine vermeintlich vorrangige Stellung auf unserem Wasserplaneten. Aber auch das ist nicht gesichert. Unser Handeln wird weitestgehend durch gelöste Substanzen bestimmt. Hormone beeinflussen Stimmungen. Impulse pflanzen sich in den Flüssigkeiten unserer elektrisch leitenden Nerven- und Gehirnzellen fort.
Neben den für uns Menschen positiven Eigenschaften gibt es den lebensgefährlichen Aspekt. Unwetter, stürmische See, Tsunamis haben schon seit Urzeiten die Menschheit und die Tier- und Pflanzenwelt geplagt.
„Water rules“- Wasser bestimmt, wo es lang geht.
Solche Einsichten beruhen nicht etwa ausschließlich auf modernen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen. Schon unsere Vorfahren in ferner Vergangenheit wußten um diese geheimnisvolle Kraft des Wassers und bedienten sich derer in vielfältigen Ritualen. Meist waren Fruchtbarkeitszeremonien damit verbunden – abgestimmt auf Jahreszeiten und Regionen. In den gemäßigten Breitengraden lagen diese am Frühlingsanfang, in den tropischen gegen Ende der Trockenzeit. Sie waren immer mit der kollektiven Bitte an den Himmel versehen, es genügend regnen zu lassen, damit die Ernte gut ausfällt.
Alle großen Religionen nahmen sich der Symbolik des Wassers an, der reinigenden, segnenden und der zerstörerischen. Muslims waschen ihre Hände, Füße und das Gesicht vor jedem der fünf täglichen Gebete. Christen taufen ihre Anhänger als Zeichen der Aufnahme in die Gemeinschaft und als Reinwaschung von den Sünden mit Wasser. In der buddhistischen Tradition haben Flüsse eine Seele, versinnbildlichen den Lauf der Zeit und die stetige Veränderung, der alles Leben unterliegt. Mit dem Träufeln von Wasser über die Hände von Erwachsenen bezeugt man Respekt vor den Älteren. Gibt man es bedächtig in eine Silberschüssel, gedenkt man damit der verstorbenen Familienmitglieder. Die traditionelle Hochzeit wird mit dem Benetzen der Hände des Brautpaares durch die Anwesenden amtlich. Die Legende von der todbringenden Sintflut ist ein globales Phänomen, nicht nur in der Bibel.
Wasserfeste sind so alt wie die Menschheit. In Thailand nennt es sich „Songkran“. Jedes Jahr, und amtlich festgelegt vom 13. bis zum 15. April, feiern es die Einheimischen in allen Facetten, den segnenden, den respektbietenden, den ausgelassen spaßigen und... ja auch den verletzenden und manchmal tödlichen. Es ist die traditionelle Neujahrsfeier zum Ende der Trockenzeit und Übergang in die Regenzeit. Mit anderen Worten, das Jahr wechselt sein Gesicht. Aus der grau verstaubten und in gewissen Landstrichen wie dem Isaan gelb vertrockneten Pflanzenwelt wäscht der sich mehrende Regen das strahlende Grün heraus, läßt neues nachwachsen. Ein sinnvoller Zeitpunkt, ein neues Jahr einzuläuten.
Die Bedeutung des Begriffes „Songkran“ paßt genau auf diesen Umstand. Er ist einem altindischen Wort entliehen.
Sanskrit: sankranti
Pali: sankhara
Dieses Wort bezeichnet einen Wechsel, speziell den Wechsel der Sonne in ein anderes Tierkreiszeichen. Wir nennen es „Widder“. Zwischen dem 21. März und dem 20. April durchstößt die Natur mit kraftvollen Hörnern die fast leblose Jahrezeit, öffnet ihre Knospen und beginnt mit Hilfe des Wassers einen neuen Reigen von Wachstum, Fruchtbarkeit, Ernten und Absterben.
In der Thaitradition dient jeder dieser drei Festtage zwischen dem 13. und 15. April einem bestimmten Zweck und zeichnet sich durch unterschiedliche Rituale aus. Die Reihenfolge der rituellen Handlungen kann je nach Familientradition und Provinz in Thailand voneinander abweichen.
1. Tag: Wan Maha Songkran
Wird auch „sank karn long“ genannt, „das alte Jahr vergeht“. An diesem Tag findet der Frühjahrsputz statt. Das Haus, die Wohnung und der private Buddha-Altar werden gereinigt, der Schmutz des alten Jahres beseitigt. Auch das weitverbreitete Geisterhäuschen auf dem Grundstück wird von Unrat befreit.
2. Tag: Wan Nao
Die Speisen für den 3. Tag werden vorbereitet. Da wird Gemüse gewaschen und geschnippselt, Fleisch und Fisch gewürzt, gebraten oder gekocht, der Reis gewässert. In den Küchen herrscht Frohsinn, denn die holde Weiblichkeit kommt zusammen, witzelt untereinander und tauscht die neuesten Gerüchte aus.
In manchen Gegenden Thailands tragen die Leute Sand von einem Flußufer oder Strand eimerweise in die buddhistischen Tempelanlagen und türmen kleine Chedis auf, verzieren sie mit Kerzen, Räucherstäbchen, bunten Fähnchen und Glassteinen.
Der ereignisreichste Tag. Am Vormittag werden die Alten geehrt. Die Familien versammeln sich um ihre Urahnen, Großeltern und Eltern, danken ihnen für ihre Fürsorge beim Erwachsenwerden, benetzen deren Hände mit Wasser und überreichen Blumengirlanden.
Danach geht es beladen in die buddhistischen Tempelanlagen. Die Mönche erhalten neue Roben und andere nützliche Dinge für den täglichen Bedarf und werden mit den am Vortage vorbereiteten Speisen beköstigt. Sie bedanken sich mit einer Andacht in der Palisprache und segnen die Gläubigen mit Wasser, welches sie von einer benetzten Rute über die Andächtigen sprenkeln. Die Buddha-Statuen werden an diesem Tag während andächtiger Zeremonien mit heiligem Wasser gereinigt.
selten werden an Stöckchen Geldscheine befestigt und in den Sand gesteckt.
3. Tag: Wan Paya Wan
Am Nachmittag heißt es dann „Wasser marsch“. In der dezenten Form laufen Kinder und auch Erwachsene mit zwei kleinen Schlüsseln durch die Nachbarschaft. In der einen Wasser, in der anderen ein weißes Pulver, welches sie auch alltags wegen seiner kühlenden Wirkung im Gesicht oder am Körper benutzen. Mit nassen Händen greifen sie in die Puderschüssel und berühren damit die Gesichter und Nacken ihrer Verwandten und Bekannten. Nach einiger Zeit sind alle auf ihren Wangen und auf der Stirn weiß gezeichnet. Das weiße Pulver soll Ungemach und böse Geister fernhalten. Dies alles ist mit den besten Wünschen für das neue Jahr verbunden.
Das weiße Pulver geht als erstes aus, aber mit Wasser wird nicht gespart. Je mehr man davon verspritzt, um so besser die kommende feuchte Jahreszeit. So geht dann der Nachmittag in eine lustige Wasserschlacht über, bei der keine Hautfalte trocken bleibt. Ein willkommener Brauch, denn der April gehört zusammen mit dem März zu den heißesten Monaten in diesen Breitengraden.