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Thailand Gefangen in der Thai Mystik

Iffi

In Memoriam
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18 Oktober 2008
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Episode 5.9

Wayne hatte sich auf fliegende Gegenstände vorbereitet, aber es kam anders.


Die mit dem kleinen Blauen, die Wayne spontan „Blau“ taufte, stürzte sich auf ihre Kontrahentin mit dem roten Kleid, „Rot“. Die sprang vom Barhocker und stellte sich der Widersacherin entgegen.

Blau holte mit dem Schuh aus und versuchte, den Kopf von Rot zu treffen, doch die wehrte mit ihrer Linken ab, versetzte Blau mit der Rechten einen Fausthieb auf die linke Brust und verlor dabei ihren hochhackigen Schuh, den sie in der Hand hielt.

Blau wich zurück, aber nur kurz und griff dann nach den dauergewellten Haaren von Rot. Blau zerrte an den Haaren, drückte so den Kopf nach hinten und versetzte Rot einen Schlag in die Magengrube.

Wayne konnte regelrecht hören, wie die Luft aus Rots Lungen entwich. Sofort ging sie zu Boden.

Blau trat barfüßig an die Kinnspitze von Rot und setzte sich auf ihren Bauch. Es folgten Schläge ins Gesicht mit beiden Fäusten.

Dann packte sie mit beiden Händen Rots Kopf an den Schläfen, zerrte ihn hoch und schlug ihn auf den Boden. Wieder und wieder. Kaum ein Geräusch war zu hören, ausser ein "klock, klock"

Wayne wunderte sich nicht. Er kannte das aus Vietnam. In Filmen wurden Kämpfe und Schläge immer mit Spezialeffekten unterlegt, was den Sound betraf, aber die Wirklichkeit sah anders aus. Im besten Falle gab es ein dumpfes Klopfen oder ein kaum hörbares „Flatsch“, wenn sich das Gehirn eines gespaltenen Schädels über den Boden verteilte.
 
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Iffi

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18 Oktober 2008
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OK, einer geht heute noch.

Kapitel 5 began zwar mit der Totenfeier für Lothar, aber alles, was dann folgt, ist ein Rückblick. Ein Rückblick in die Zeit, als Nim verschollen war und George keinen Kontakt zu ihre hatte...
 
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Iffi

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18 Oktober 2008
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Episode 5.10

Nim bewegte sich auf einem Schleichpfad von hinten an ihr Haus heran, nachdem sie von einem Mopedtaxi auf der Soi Siam Country abgestiegen war. Das hohe Gras bog sich im Wind und schaukelte sanft hin und her. Die Palmenblätter über ihr raschelten in der stetigen Brise. Davon hatte sie sich als Kind oft einlullen lassen und von einem Märchenprinzen geträumt. Aber heute war sie auf der Suche nach etwas ganz bestimmten. Es begann zu regnen. Der Himmel verdunkelte sich zusehends.


Der perverse Mo Pi hatte sie auf eine Idee gebracht. Er wollte Geld und vermutete das bei Lothar. Doch der Mo Pi würde nichts bekommen, sie wollte es selbst. Alles! In all der Aufregung der letzten Tage und Wochen hatte sie völlig den Safe vergessen, um den Lothar immer so ein Geheimnis machte. Sie hätte sich nachträglich dafür ohrfeigen können.

Im Haus roch es muffig, es stank! Lothar war nie sehr ordentlich gewesen, aber Nim hatte immer auf Sauberkeit im Haus geachtet. Es roch, als ob sich irgendwo eine Ratte verkrochen hatte, die schon lange tot war. Nim schüttelte sich, während sie sich daran erinnerte, daß mehrmals Kammerjäger da waren, von einer Firma mit dem passenden Namen „Pest Control“, um Ungeziefer aufzuspüren und zu vernichten. Neben Kakerlaken und Termiten gehörten auch Nagetiere dazu, die immer wieder meinten, ihr Haus sei ein perfekter Ort, um Unterschlupf zu finden und sich zu vermehren.

Ob die Ratte verhungert war, weil seit Tagen niemand mehr in dem Haus lebte? Nim fand keine Antwort.

Mit zwei Fingern einer Hand hielt sie sich die Nase zu, während sie auf das Schlafzimmer zuging. Der Gestank verstärkte sich. Anscheinend war die Ratte im Schlafzimmer gestorben. Aber genau dort mußte sie hin, denn dort stand das Ziel ihrer Begierde. Im Schrank.

Die Dielenbretter knarrten unter Nims Schritten. Als sie die angelehnte Schlafzimmertür öffnete, quietschte diese in den Angeln. Nim erstarrte. Sie gruselte sich. Lothar war vermutlich genau hier gestorben, bevor einer der Nachbarn einen Krankenwagen rief. Ihre Schwester Lek hatte ihr berichtet, daß im Krankenhaus Lothars Tod nur noch einmal bestätigt wurde. Demnach hatte Lothar höchstwahrscheinlich an diesem Ort seinen letzten Atemzug getan – und sein Geist spukte noch herum, dessen war sie sich ganz sicher. Und da er vermutlich eines gewaltsamen Todes gestorben war, ferngesteuert von dem Mo Pi, handelte es sich um einen vinyan, einen bösen Geist. Kindheitserinnerungen kamen auf, in denen ein vinyan eine nicht unerhebliche Rolle spielte.

Als sie das Schlafzimmer betrat, berührte sie etwas an den Haaren. Lothars Geist! Nim schrie auf und raufte sich panisch mit beiden Händen die Haare. Dabei bekam sie etwas zu Fassen, daß sie noch lauter schreien ließ, fast wurde sie hysterisch.

Doch es war nicht Lothars Geist, sondern ein riesiges Spinnennetz, das eine Spinne direkt hinter der Tür gewebt hatte. Das Netz war so groß, daß Nim inständig hoffte, die Spinne nie zu Gesicht zu bekommen, es mußte sich um ein wahres Monstrum handeln!

Verwirrt fragte sich Nim, ob sie nun mehr Angst vor Lothars Geist oder der Riesenspinne haben sollte.

Zitternd und allen Mut zusammennehmend, öffnete Nim die Schranktüren. In einem Fach auf der linken Seite stand ein Safe. Die Firmenbezeichnung lautete entsprechend einfach: The Safe. Daneben Tasten wie bei einem Handy. Und eine englischsprachig gehaltene Anweisung, wie man den Safe öffnen und wieder verriegeln konnte. Eine vierstellige Nummernkombination mußte eingetippt werden. Sesam, öffne dich, ohne auf „Open“ oder eine entsprechende Taste drücken zu müssen, das geschah automatisch, wie die Anleitung verriet.

Nim tippte ihr Geburtsjahr ein, dann ihr Geburtsdatum. Nichts geschah. Dann tippte sie Lothars Geburtsdatum ein und dessen Geburtsjahr. Als sich nichts rührte, fiel ihr ein, daß er das Jahr womöglich nach dem Thaikalender eingegeben hatte. Er hatte ihr mehr als einmal erklärt, daß die Formel dafür 543 lautete. Einfach zu merken, hatte er ihr in seiner klugscheißerischen Art immer wieder versichert.

Im Kopf konnte Nim das aber nicht ausrechnen. Sie nahm ihr Handy, dass sie inzwischen ein wenig aufgeladen hatte, gab Lothers Geburtsjahr ein – 1958 – und addierte 543 hinzu. Heraus kam 2501. Nim tippte auch das ein, aber es geschah nichts. Nim überlegte, was sie tun konnte. Der Safe enthielt einen Schatz, das war klar. Ihre Zukunft hing davon ab!

Wenn sie ihn nicht mit Hilfe der Kombination öffnen konnte, mußte sie einen anderen Weg finden, ihn aufzubrechen oder gar ganz zu zerstören, wenn das überhaupt möglich war.

Sie ging aus dem Haus in einen Schuppen daneben, auf dessen Wellblechdach der Regen inzwischen gehörig prasselte, zündete eine Kerze an und fand im flackernden Licht einige Werkzeuge. Mit ihnen kehrte sie in das unheimliche Schlafzimmer zurück.
 
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Iffi

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18 Oktober 2008
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Episode 5.11

Aus den Augenwinkeln nahm sie wahr, daß sich die Bettdecke bewegte. Sie fixierte ihren Blick in das halbdunkle Schlafzimmer, dessen Vorhänge wie immer zugezogen waren. Sie wagte nicht, dem Bett zu nahe zu kommen, vielleicht hatte sich die Spinne unter der Decke versteckt? Oder Lothars Geist?


Auf jeden Fall aber lag etwas unter der Bettdecke, vermutlich die Kissen. Eine Bewegung konnte sie nicht mehr ausmachen, daher wandte sie sich wieder dem Safe zu.

Der war an der Holzwand des Schrankes festgeschraubt, Nim schickte sich nun an, das entsprechende Stück herauszusägen. Eine Aufgabe, die mehr von ihr abverlangte, als sie ursprünglich vermutet hatte.

Draußen dämmerte es, Nim war schweißgebadet, aber froh, als sie feststellte, daß der Safe nur mit dem Schrank verschraubt, nicht aber in der Wand dahinter verdübelt war.

Irgendwann konnte sie das wuchtige Stück aus der Verankerung reißen. Der Safe war schwer, sehr schwer. Sie versuchte ihn zu schütteln, um festzustellen, ob etwas darin war, das vielleicht klapperte, aber es gelang ihr nicht. Der Safe entglitt ihren Händen und knallte auf den Fußboden.

„Eef!“

Nim erstarrte und sah sich um. Der Knall mußte etwas aufgeweckt haben. Denvinyan? Sie schüttelte sich und nahm sich vor, einen Lampion zu kaufen. Aber zuerst mußte sie das verdammte Ding aufbekommen!

Sie beugte sich zu dem Safe hinunter. Der sah aus wie ein Mercedes, der in einen Autounfall mit einem Trabant verwickelt gewesen war. Nicht einmal eine Schramme, während der Fußboden eine Delle aufwies.

Es würde ihr unmöglich sein, den Safe zu transportieren. Am besten, sie vergrub ihn irgendwo im Garten und kam später zurück, um ihn zu holen. Mit einem Motorrad. Vielleicht konnte sie ihre Schwester um Hilfe bitten, aber dann wollte die gierige Kuh bestimmt was vom Inhalt?

„Eef!“

Nim fixierte das Bett. Das Geräusch war aus dieser Richtung gekommen, das war eindeutig. Dann hörte sie etwas, das sich wie ein ohrenbetäubender Furz anhörte. Nim schüttelte sich und starrte auf das Bett. Waren das da wirklich Kissen, oder war da etwas anderes?

Sie überlegte, wie sie den Safe in den Garten transportieren konnte, als ihr Blick auf das nun leere Brett im Schrank fiel. Dort lag ein Sparbuch, das Lothar offensichtlich unter dem Safe versteckt hatte.

Herzklopfend schlug sie es auf. Es lautete auf Lothars Namen und zeigte 40 Millionen Baht als ersten Eintrag, der allerdings schon zwei Jahre alt war. Danach kamen noch viele Einträge. Der letzte lautete auf 3.966.670. Nim nahm sich vor, nach Lotterielosen mit diesen Ziffern Ausschau zu halten.

Sie bewunderte Lothars Klugheit. Anstatt diese Unterlagen im Safe zu verbergen, in dem jeder danach gesucht hätte, hatte er sie darunter gelegt. Aber vielleicht hatte er das auch nur im Suff getan oder aus Unachtsamkeit. Sie wußte es nicht.

In den Seiten des Sparbuches versteckt befanden sich ferner eine EC-Karte, ein Zettel mit vier kryptischen Zeichen – ., a, d und g – und 5000 Baht in 1000-Baht-Noten. Offensichtlich Lothars Notreserve. Sie steckte alles in ihre Handtasche.

Nim beugte sich zum Boden und versuchte, den Safe Richtung Flur zu schieben. Die weiteren Schätze, die sich darin befanden, mußten später geborgen werden.

„Eef!“

Fast direkt hinter ihr! Sie fuhr nach oben und drehte sich um. Nun dachte sie, das Blut würde ihr in den Adern gefrieren. Die Bettdecke bewegte sich! Nim bekam einen Schock, als sie den vinyan beobachte, der von furzenden Geräuschen begleitet, einen Ausweg suchte.

Nim wollte wegrennen und kam sich vor wie in einem Alptraum, wenn man verfolgt wird und nur in Zeitlupe entkommen kann. Mit dem Unterschied, daß sie wie angewurzelt stehen blieb und auf das Bett starrte, weil sie sich nicht rühren konnte.

Die Bettdecke glitt nur ein wenig zur Seite, und dann fühlte Nim sich an einen Horrorfilm erinnert, den sie einmal mit Lothar gesehen hatte. Er fand den Film gut, aber sie fand ihn schrecklich und konnte danach die ganze Nacht nicht schlafen, weil sie sich so sehr gegruselt hatte. Da war einem Raumfahrer irgendein Wesen aus dem Bauch gesprungen, das wie ein Minidinosaurier aussah!

Das Tier reckte seinen Kopf, sah sich nach allen Richtungen um und verschwand daraufhin wie der Blitz in einer dunklen Ecke. Wo es hervorgekrochen war, das konnte Nim nur dunkel erahnen, als sie sah, was die Bettdecke freigegeben hatte.

Nim schrie, vergaß den Safe, vergaß alles und rannte und rannte und rannte.
 
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Iffi

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18 Oktober 2008
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Episode 5.12

Immer wieder sauste der Hinterkopf von Rot auf den Boden.


Zumindest wird sie eine Gehirnerschütterung davontragen, dachte Wayne, während er sich umsah. Alle Bargirls inklusive der Mamasan beobachten gebannt, was sich vor dem Tresen abspielte.

Bargirls und ein paar Farangs aus anderen Bars, teilweise mit Queues in der Hand, weil sie beim Billardspielen unterbrochen wurden, sahen von der Straße aus dem Geschehen nur wenige Meter entfernt zu.

Aber niemand griff ein. Auch nicht Wayne. Die anderen Farangs, die das Schauspiel beobachteten, handelten weise, fand Wayne. Niemals sollte man sich als Ausländer in einen Streit unter Thais einmischen. Sag niemals nie galt in diesem Fall nicht. Wer als Ausländer versuchte, einen Streit unter Thais zu schlichten, zog immer den Kürzeren. Auch wenn es Gutmenschen gab, die etwas anderes behaupteten. Die trieben vor allem in Internet-Foren ihr Unwesen, hatten eine große Schnauze, schrieben „kluge“ Beiträge aus Gegenden wie dem Taunus und hatten sonst von Thailand keine Ahnung.

Blau mußte irgendwann das Gefühl gehabt haben, es sei genug, denn sie erhob sich von Rots Bauch und blickte verachtend auf ihre Kontrahentin, die sich am Boden wälzte.

Die konnte sich nach einigen vergeblichen Versuchen aufrappeln, und als sie wieder stand, hielt sie den Stöckelschuh von Blau in ihrer Hand. Blau war völlig überrascht und vergaß ihre Deckung, während der Schuh auf ihren Kopf niedersauste.

Blau wurde mit ihrer eigenen Waffe in Gestalt ihres Stöckelschuhs geschlagen.

Wayne, der die Auseinandersetzung von einem Logenplatz aus beobachtete, bemerkte Blut am Absatz, als Rot nach dem Hieb auf den Kopf von Blau ein weiteres Mal ausholte. Aber das war eigentlich nicht mehr nötig gewesen, denn Blau verdrehte die Augen und sackte zusammen.

Blau kann froh sein, daß der Absatz nicht abgebrochen ist, als der Schuh in ihrem Kopf steckte, dachte Wayne, als er plötzlich Mamasan entdeckte, die mit einer Flasche Whisky in der Hand auf die beiden Streithähne zuging.

Blau am Boden, Rot mit Gehirnerschütterung die standhafte Siegerin, dachte Wayne.

Aber nicht lange. Mamasan schlich sich von hinten an Rot heran und zog ihr dann mit voller Wucht die Flasche über den Kopf.

Rot fiel um, die Flasche ging dabei nicht kaputt. Auch so etwas gab es nur in Filmen. Allerdings entglitt Mamasan die Flasche, als sie zuschlug, die fiel zu Boden und zersplitterte.

Scheiße, dachte Wayne, der schöne Black.
 
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Iffi

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Episode 5.13

Nim rief ihre Schwester Lek vorsichtshalber an, bevor sie sich in deren Bar wagte. Sie brauchte unbedingt eine vertraute Umgebung nach diesem Erlebnis.

„Wo warst du die ganze Zeit? Lothar muß beerdigt werden. Glaub’ ja nicht, daß ich dafür aufkommen werde.“

Nim überlegte einen Augenblick.

„Wie ist Lothar gestorben?“

„Hat sich tot gesoffen. Stell keine dummen Fragen, Du bist seine Frau und bringst ihn gefälligst in den Ofen“, antwortete Lek.

Nim war trotz der harschen Worte ihrer Schwester erleichtert. Offensichtlich sah die Polizei keinen Anlaß, nach Verdächtigen zu suchen. Die Luft schien rein zu sein.

„Wo bist du?“

„In meinem Zimmer über der Bar“, antwortete Lek. Sie war nur noch selten in ihrem kleinen Haus in Nongprue.

Mehr wollte Nim im Augenblick nicht wissen. Das Telefongespräch war beendet.

Als Nim in der Soi Plaza die Bar ihrer Schwester betrat, die Treppe hinter dem noch zugedeckten Billardtisch hochstieg und Leks Zimmertüre öffnete, herrschte zunächst eisige Stille.

„Du läßt dich also auch mal wieder blicken. Ich durfte hier in der Bar ganz alleine schuften, Zickenkämpfe schlichten, und du kümmerst dich noch nicht einmal um deinen abgekratzten Alten.“

„Ich war sehr krank. Der Mo Pi in Naklua hat mich gepflegt“, log Nim.

„Du kannst mir viel erzählen. Hast dich wohl mit deinem George vergnügt? Ich will die Auslöse für die letzten Tage von ihm. Oder hat er dich, wie jeder dämliche Farang, aufgefordert, in meiner Bar aufzuhören? Der kann was erleben!“

„Nein, habe ihn nicht getroffen, und bin gleich nachdem ich wieder gesund war, nach Hause, aber alleine gehe ich da nicht wieder hin. Dort ist ein vinyan“, antwortete Nim mit sichtbarem Schauern.

Vinyan, vinyan. Lothar hat sich selbst tot gesoffen, oder willst du damit behaupten, jemand hat ihn umgebracht? Du vielleicht? Mit Hilfe von George etwa?“ Bei diesen Fragen sah Lek Nim tief in die Augen.

„Nein, nein. Wie kannst du so was sagen? Ich habe nur komische Geräusche im Schlafzimmer gehört, als ich versuchte den Safe zu öffnen. Jemand war im Raum.“

„Safe“, dachte Nims Schwester laut und verfiel in nachdenkliches Schweigen.

„Was kostet denn so eine Beerdigung?“ unterbrach Nim die plötzliche Stille.

„Vielleicht 30.000. Bist du so blöd oder tust du nur so?“

„Und wo ist Lothar jetzt?“ fragte Nim. Ich meine… die Leiche.“

„Ich habe ihn vorübergehend in eurem Bett im Schlafzimmer deponiert.“

Nims Augen weiteten sich, bevor sie sich auf den Fußboden übergab.

„Die Sauerei machst du selber weg. Hör zu. Du bleibst jetzt hier und vertrittst mich in der Bar. Wir sind unterbelegt. Zwei Zwei ba ba bo bo Bitches sind wegen, hm, Krankheit verhindert. Ich habe noch etwas zu erledigen. Ich weiß noch nicht, wann ich zurückkomme. Falls ich dich dann nicht in der Bar antreffe, kannst du was erleben.“

Mit diesen Worten verließ Lek das Zimmer.
 
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Episode 5.14

Die Streitszene ließ bei Wayne alte Erinnerungen hochkommen. Kämpfe bis aufs Blut gehörten zu Südostasien wie der Affe auf der Kokospalme.

Nachdem sich die Lage wieder beruhigt, alle Zuschauer in ihre Bars zurückgekehrt waren und Wayne sich frohen Mutes ein neues Bier bestellt hatte, sann er über die letzten Tage nach.

Gewalt schien in der Luft zu liegen. Nim war vorerst nicht mehr aufgetaucht, nachdem er sie mit zerschlagenem Gesicht gesehen hatte. Ein paar Minuten zuvor hatte er sie zwar erspäht, allerdings war sie gleich nach oben gegangen ohne ihn, Wayne, auch nur eines Blickes zu würdigen. Mamasans Laune war nicht nur fies wie üblich, sondern war in pure Aggressivität umgeschlagen. Wieso opferte sie eine Flasche Whisky, wenn der Catfight sowieso beendet war?

Dann war da noch sein Kumpel George. Der war ständig auf 180, und wenn nicht, schlicht sauer. Warum? Lothar, ein Bär von einem Mann, war kürzlich gestorben. Einfach so. Gab es da irgendwelche Zusammenhänge?
 
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Iffi

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Episode 5.15

„Hallo George. Mein Telefon war kaputt. Habe Problem. Du mir helfen? Ja?“ Nim hatte ihr Handy in der Bar nun vollständig aufgeladen.

George saß gerade hinter seinem Schreibtisch in Map Ta Phut und hatte aufgeregt Nims Nummer gewählt, nachdem sein Zweithandy einmal geklingelt hatte und danach verstummte.

„Nim! Wo bist du? Ich habe mir Sorgen gemacht.“

„Hör zu. Mein Mann ist gestorben. Du bist der einzige, den ich noch habe. Bitte helfen.“

George holte tief Luft. Genoß die Stimme von Nim. Sie lebte! War wieder da. Endlich meldete sie sich.

„Ich weiß, Baby. Habe davon gehört. Wie kann ich dir helfen? Aber warum hast du...“

„Du kommst nachher in Bar? Dann wir über alles reden.“

Nim legte auf, ohne eine Antwort abzuwarten, sie hatte noch etwas zu tun.

Nachdem der Mo Pi als Vertrauter ausgefallen war, ihre Schwester sich wie immer nicht hilfsbereit zeigte, blieb nur noch George als einziger Ausweg. Aber zuvor mußte sie noch in den Central Department Store, wenn auch nicht zum Shoppen. Falls sie ihre Schwester richtig verstanden hatte, kam die so schnell nicht zurück. Da blieb sicher noch Zeit genug, etwas zu erledigen, ohne daß Lek ihre Abwesenheit bemerkte.
 
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18 Oktober 2008
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Episode 5.16

Schüchtern, aber voller Erwartung präsentierte Nim in der vierten Etage des Kaufhauses Lothars Sparbuch in der Kasikorn Bank.

Sie hatte eine Nummer gezogen und sich auf einen Plastikstuhl gesetzt, während sie die weiße Schrift „K ATM“ auf grünem Grund der Kasikorn Bank studierte. Grün wie die Hoffnung.

Als sie endlich an die Reihe kam, legte sie das Buch auf den Schalter und bat um ein Update.

Die Angestellte schlug das Buch auf und runzelte die Stirn.

„Das Konto gehört meinem Mann“, erklärte Nim. „Er hat mich beauftragt, es aktualisieren zu lassen. Das können Sie sicher tun?“

Wortlos schob die angestellte das Sparbuch in einen Drucker, der zu rattern begann. Es schien eine Ewigkeit zu dauern.

Unzählige Beträge waren abgehoben worden, meistens kleine, die sich aber zu einem größeren Betrag summierten. Zuletzt dreimal 6000 Baht. Dann erfolgte eine Gutschrift von 33,330 Baht für Zinsen. Das Guthaben betrug genau vier Millionen Baht.

Eine schöne runde Zahl mit vielen Nullen, registrierte Nim. Das war mehr, als sie zu erhoffen wagte, obwohl ihr Verstand die Größe dieser Summe gar nicht erfassen konnte. Ihre Vorstellungskraft reichte gerade mal bis zu 400.000 Baht. Für den Betrag hatte sich einmal ein wohlhabender Nachbar ein Steinhaus in Nongprue gleich am Sandweg bauen lassen. Wie hieß der noch, überlegte Nim. War sein Name nicht Dieter? An den Landsmann von Lothar konnte sich Nim nur noch erinnern, weil der wegen Mordes verhaftet worden war, das hatte ihr Wayne einmal erzählt. Dieter hatte seine Thai-Frau mit einer Krawatte erdrosselt, und Wayne sprach seitdem immer nur vom „Krawattenmörder“, wenn er Dieter ab und zu erwähnte.

„Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?“ fragte die Bankangestellte und riß Nim aus ihren Überlegungen.

„Ja.“ Sie kramte in ihrer Handtasche und legte die EC-Karte auf den Tresen. „Mein Mann hat seine PIN-Nummer vergessen, können Sie da etwas machen?“

Die Bankangestellte schüttelte den Kopf. „Es tut mir leid, aber selbst wir kennen den Code nicht. Wir müßten eine neue Karte ausstellen. Dann muß er aber selbst zur Bank bemühen. Richten Sie ihm bitte aus, daß er auf jeden Fall seinen Paß mitbringen muß.“

Kha“, danke, sagte Nim automatisch und biß sich auf die Lippen.

Lothar war nicht pleite. Er schien zwar eine Null seines Vermögens verloren zu haben, wenn sie richtig gezählt hatte, aber was heißt das schon? Für sie wären schon vierzigtausend Baht eine Garantie für Spaß und Sorglosigkeit gewesen. Was war nur mit den Farang los? Wieso waren sie schon übel gelaunt, wenn ihr Vermögen immer noch ganze sechs Nullen hinter der ersten Ziffer hatte?

Was sie betraf, war das eine ganz andere Geschichte. Sie war übel gelaunt! Als sie aus der Tür trat, fiel ihr Blick auf den Geldautomaten daneben. Die EC-Karte hatte sie noch in der Hand. Sie erinnerte sich daran, wie sie an Lothars Safe mehrere Zahlenkombinationen ausprobierte. Das konnte sie auch am Geldautomaten machen. Aber nach drei vergeblichen Versuchen würde die Karte einkassiert werden. Und dann war das Spiel vorbei!

Nachdenklich schlug sie noch einmal das Sparbuch auf. Vier Millionen Baht! Da stand es schwarz auf weiß. Das Geld war so nah und doch so fern.

Wieder fiel ihr der Zettel in die Hand, der im Sparbuch gelegen hatte. Punkt, A, D, G. Was hatte das zu bedeuten?
 
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Episode 5.17

„Du mir helfen? Habe keinen Platz zum Schlafen. Ich armes Mädchen“, sagte Nim, nachdem sie George stürmisch umarmt hatte. Der wußte noch gar nicht, wie ihm geschah.


Als er die Bar betrat, rannte Nim auf ihn zu und fiel ihm um den Hals. Einige Räucherstäbchen im Schrein qualmten noch. Sehr ungewöhnlich für diese fortgeschrittene Zeit. Die Gläser für die Gottheiten waren frisch mit Kaffee, Tee, Milch, Wasser, Maekhong Whiskey und Nam Daeng gefüllt. Die goldene Katze winkte wie immer Gäste herein.


Sie sprach zu ihm, sie sang zu ihm;

Da war’s um ihn gescheh’n;
Halb zog sie ihn, halb sank er hin
Und ward nicht mehr geseh’n“,



hörte George jemanden ganz in der Nähe pathetisch in seine Richtung rufen.

Als er sich umsah, erkannte er Wayne, der breit grinste. Er war schon ziemlich angetrunken. Sein T-Shirt hätte schon lange einen Wechsel vertragen können, seine Gesichtshaut vom Straßenstaub grau, um die Augen weiß und darunter schwarz. Zeichen einer längeren Motorradtour. Wayne trug dann immer eine Brille, selten einen Helm. Waynes Gesamterscheinung war das untrügliche Zeichen dafür, daß er sich wieder einmal in einer frauenlosen Phase befand.


George überlegte einen kurzen Augenblick. Vielleicht war es besser, Wayne nicht vor den Kopf zu stoßen. Dessen permanente Andeutungen und offensichtliches Wissen über Nim und ihre Verhältnisse ließen in George schon länger ein Gefühl des Unwohlseins aufkeimen.

„Trink dir ein Bier auf meine Rechnung. Vielleicht quatschen wir später noch, Kumpel.“

„Nehme ich gerne an. Danke, alte Säule.“

Wayne setzte seine halbleere Flasche an und trank sie mit einem Zug aus. George wand sich wieder Nim zu.

„Warum schläfst du nicht in deinem Haus?“ fragte George.

Weshalb sie dort nicht mehr leben wollte, obwohl kein gewalttätiger Ehemann mehr auf sie lauerte, verschloß sich ihm. Wenn er sie fragte, würde er sicher eine merkwürdige Antwort erhalten.

„Geht nicht. Dort lebt vinyan.“

„Was ist das denn?“

„Böser Geist.“

George mußte kurz auflachen. Aber Nim fand das überhaupt nicht komisch, sie sah ihn strafend an.


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Dann erzählte sie ihm eine Geschichte. Als Kind hatte Nim eine merkwürdige Augenerkrankung, niemand wußte, was es war. Die Mutter war mit ihr erst zu einem Arzt im Dorf gegangen, und dann mit der Tochter sogar ins Krankenhaus nach Si Saket gefahren. Dort bekam sie Medikamente, eine Augencreme und Antibiotika, aber die halfen nicht. Erblindung drohte!

Schließlich wandten sich die Eltern in ihrer Verzweiflung an einen Mo Pi im Dorf, der sich Nim ansah. Der sagte, es gebe ein großes Problem.

Nims Vater war auf die Idee gekommen, am Ende eines schmalen Weges hinter dem Haus einen Hühnerstall zu errichten, der Weg wurde so zur Sackgasse. Und in diesem Gebiet trieb ein vinyan sein Unwesen. Der konnte wegen des Hühnerstalls nicht mehr passieren, wurde böse und vergriff sich wütend an Nims Augen.

Ein Mo Pi empfahl, den Hühnerstall abzureißen und den vinyan mit Opfergaben zu besänftigen.

Die Eltern hörten auf den Mo Pi. Der Stall wurde abgerissen, Schälchen mit Reis und Getränken und auch Blumengirlanden aufgestellt.

Nim erinnerte sich, daß der Heilungsprozeß nicht mehrere Tage gedauert hatte, sondern die Augenkrankheit von einer Stunde auf die andere verschwunden war.


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Sie sagte: „Wenn jemand schlimmen Tod stirbt, dann sein Geist verwirrt. Weiß nicht wohin und was tun. Geist wird wütend, irrt umher und wird vinyan.

„Und wer ist so schlimm ermordet worden?“ fragte George.

„Ich wollte nicht, daß er stirbt“, schluchzte Nim.

„Stirbt wer? Redest du etwa von deinem Mann, Lothar?“ George wurde heiß bei dem Gedanken.

„Arzt und Polizei sagen, Lothar zu viel Alkohol getrunken. Weiß auch nicht, warum vinyan in meinem Haus“, besann sich Nim vorläufig eines Besseren. Ein Farang könnte sowieso nie verstehen, welche Rolle Black Magic in diesem Zusammenhang gespielt hatte.

„Und ich muß Beerdigung bezahlen. Für Lothar. 30.000 Baht.“

George staunte.

„Banken noch offen.“

Spätestens nach diesem Hinweis wußte George, was Nim von ihm erwartete.
 
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Episode 5.18

Vor der Bar hielt ein Motorradtaxi, Lek stieg ab und ging schnurstracks auf Nim und George zu, griff sich einen Aschenbecher aus solidem Glas im Vorbeigehen von einem Tisch und feuerte ihn in die Richtung der beiden.


Lek zielte schlecht und viel zu hoch. George mußte nicht einmal den Kopf einziehen. Der Aschenbecher verfehlte knapp den Schrein an der Säule und krachte in die Wand hinter der Theke, nicht ohne vorher die winkende Katze zu streifen. Die schwankte gefährlich, und wie in Zeitlupe rutschte sie über die Kante des Schreins und fiel in die Tiefe.

Nim schrie auf und beugte sich über den Tresen.

„Die Katze ist tot“, sagte sie.

George folgte ihrem Blick. Selbst er würde die Katze nicht mehr zum Leben erwecken können, sie war in unzählige Stücke zersprungen.
„Wenn man Katze tötet, ist genauso schlimm, wie wenn man Mönch tötet“, erklärte Nim.


„Na ja, die Katze hat ja nicht wirklich gelebt“, versuchte George sie zu trösten und zog sie an ihrem Arm vom Barhocker.

Lek stand noch im Eingangsbereich der Bar und funkelte die beiden böse an, während sich Nim und George an ihr vorbeidrängten.

„Why you not pay me. Make pamm pamm my sister all the time. She no time for work in Bar. Give me 2000 Baht, now.” Warum bezahlst du mich nicht? Vögelst die ganze Zeit meine Schwester. Sie hat keine Zeit mehr zu arbeiten. Gib mir 2000 Baht, sofort.

George faßte Nim bei der Hand, und ging wortlos zu seinem Wagen.

Lek schimpfte hinter beiden her. Dabei benutzte sie Tiernamen, die einem exotischen Zoo gut gestanden hätten. Als letztes drohte sie wieder mit der Polizei.

Nim wandte sich noch einmal um und rief auf Khmer: „Wir holen Geld.“
 
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18 Oktober 2008
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Episode 5.19

Nim begleitete George in die Siam Commercial Bank hinein und half ihm sogar, den Auszahlungsschein auszufüllen.


Nachdem George Nim das Geld übergeben und sie es in ihrer Handtasche verstaut hatte, sah Nim ihn mit strahlenden Augen an, ohne sich zu bedanken.

„Danke“ sagte man in Thailand nur bei kleineren Geschenken, die man gegebenenfalls vergelten konnte. Ein „Danke“ bei solchen Summen käme einer Verpflichtung gleich, sich mit einem gleichwertigen Geschenk bei Gelegenheit erkenntlich zu zeigen. Noch war Nim zu diesem Zeitpunkt nicht klar, ob sie George das Geld zurückgeben konnte.

Inzwischen war es dunkel geworden. Pattaya erstrahlte im Glanze der vielfarbigen Lichter. Dann war es egal, ob der Himmel bedeckt oder klar war, sich ein Unwetter zusammenbraute oder die Sterne funkelten. Die Lichter der Bars und der Reklamen strahlten direkt ins Stammhirn mit nur einer einzigen Botschaft: Nimm dir, was du willst.

George empfand eine wohlige Stimmung, die ihn sonst nur einmal die Woche übermannte, wenn er freitags seinen freien Abend hatte, an den Bierbars erwartungsvoll vorbeispazierte und auf Jagd ging. Aber das schien schon eine Ewigkeit her zu sein. In den letzten beiden Wochen drehte sich alles nur um Nim. George hatte das Gefühl, sie schon Monate zu kennen.

„Ich will Lampion mit heiße Luft kaufen. Im Central.“

„Was? Loi Krathong ist doch noch gar nicht?“ erwiderte George, aber wirklich wundern konnte er sich nicht mehr.

George hatte einmal zusammen mit seiner Frau Rose Chiang Mai Anfang November besucht. Die Thais zelebrierten dort ein Lichterfest, bei dem sie auch mit Kerzen bestückte Lampions aufsteigen ließen. George erfuhr, daß dieses Fest jedes Jahr in der Vollmondnacht im November gefeiert wird. Später hatte er das auch in Pattaya beobachten können.

Thai-Frauen waren schon unberechenbar und sprunghaft genug. In Nim hatte er die Meisterin aller Klassen gefunden, dachte George. Aber Hauptsache sie war wieder da. An diesem Tag hatte sie ihn sogar spontan umarmt, erinnerte er sich beschwingt und nahm sich vor, Nim am Abend zu nehmen, wie er noch keine Frau genommen hatte.

Nim wählte ein zusammenfaltbares Lampion aus halbdurchsichtigem weißem Papier. Im unteren Teil war eine Fassung für eine Kerze befestigt, die, wenn angezündet, aus dem Lampion einen Heißluftballon machte.

„Du mich bitte bringen zu meinem Haus. Habe Angst alleine.“

„Warum das denn nun wieder? Ich dachte, du willst da nicht mehr hin?“

„Brauche neue Sachen zum Anziehen und wichtig, muß vinyan den Weg nach Hause zeigen“, antwortete Nim in Rätseln. Von dem Safe erzählte sie nichts.
 
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Episode 5.20

„Ich halte das für keine gute Idee, mit meinem Auto vorzufahren“, sagte George unterwegs, denn er erinnerte sich an den Zwischenfall mit Lothar und an Waynes Bemerkung über den Wagentyp.


Nim sah George nachdenklich von der Seite an. Vermutlich hatte er recht. Wie sähe das aus, wenn sie mit einem gutaussehenden Farang, für alle im Dorf sichtbar, in ihr Haus spazierte, in dem die Leiche ihres Mannes noch ihr Unwesen trieb.

„No problem. Ich dir sagen, wo halten.“

Wie schon am gleichen Tag zuvor wählte sie den Schleichweg, den die beiden zu Fuß von der Soi Siam Country aus zurücklegten. George verlor fast die Orientierung im hohen Gras. Die Dunkelheit war von Geräuschen durchdrungen, die von allerlei nachtaktiven Lebewesen in diesem Dickicht zeugten. George musste grinsend an Rose denken. Die wäre schon längst zur Salzsäule erstarrt. Nim dagegen schlängelte sich elegant, geschmeidig und mit Leichtigkeit durch das Gestrüpp. Sie sah dabei aus, wie...

George fiel der Name des Tieres in diesem Augenblick nicht ein.

Beide hatten ihre Handys in der Hand. Die eingeschalteten Displays tauchten den Pfad in der unmittelbaren Umgebung in ein fahles Licht.

An der Rückseite des Hauses angekommen, machte Nim keine Anstalten, es zu betreten. Statt dessen nahm sie den Lampion aus der Plastiktüte, entfaltete ihn, befestigte eine Kerze im unteren Teil und bat George um Feuer. Nims Hände zitterten. Ihre Angst war trotz Georges Gegenwart zurückgekehrt

Als der Lampion aufleuchtete, murmelte Nim einige Sätze auf Khmer, bis die Luft im innern heiß genug war und ihn davontragen konnte. Während der Lampion aufstieg, legte Nim ihre Hände vor dem Gesicht zu einem Wai zusammen, ohne zu verstummen. Ihr Körper bebte noch immer.

George sah dem schnell höher steigenden Licht gebannt nach. Die leise und im gleichmäßigen Ton fast geflüsterten fremden Worte Nims ließen seine Augenlider schwer werden. Nim wurde zusehends ruhiger.

Vinyan ist gegangen“, sagte Nim schließlich mit Überzeugung. Ihre Angst war wie verflogen.

Nach diesen Worten stellte sie ihren Kopf leicht schräg, und blickte George stumm in die Augen, als ob sie auf etwas wartete.

George traf die Erkenntnis wie ein Hammer. Das war es also. Sara hatte das auch immer getan, wenn sie George eine Gelegenheit geben wollte, Fragen zu stellen. Diese Geste war für George eine der charmantesten Kunstpausen, die Frauen überhaupt machen konnten. Seit Sara war ihm das nie wieder passiert.

„Wie kannst du das so genau wissen? Dass dieser vi.., hm, Geist, jetzt weg ist?“

„Du gute Fragen haben. Du mein George wie am Anfang“, sagte Nim lächelnd. Vinyan ist Geist von Gestorbenen, verloren zwischen Himmel und Erde. Oder sagt man verirrt? Nicht lebendig, nicht tot. Viel Rache im Herz. Das macht ihn wütend, sehr gefährlich für Leute. Das Licht führt vinyan nach Hause, in Heimat der Toten, damit er 100 Tage ruhen kann, bevor er wieder geboren wird.“

Mit diesen Worten führte Nim George um das Haus herum und wollte gerade die Eingangstüre aufschließen, als sie feststellte, daß diese nur angelehnt war. Hatte sie bei ihrem ersten Besuch am selben Tag vor Schreck vergessen, sie abzuschließen?

Schon beim Eintreten roch es äußerst unangenehm. Ob das der zurückgelassene Geruch von dem Geist war, fragte sich George nicht gerade ernsthaft. Wenn es nach Schwefel gerochen hätte, wäre ihm die Antwort leicht gefallen.

Nim hastete sofort ins Schlafzimmer. Nichts regte sich, keine Geräusche. Lothar lag von seinem unseligen vinyan verlassen still und bewegungslos auf dem Bett. Das war Nim zwar immer noch unangenehm, aber es flößte ihr keinen Horror mehr ein, obwohl sie in dem fast dunklen Zimmer nur schemenhafte Umrisse erkennen konnte, die dazu geeignet gewesen wären, alptraumartige Phantasien auszulösen.

„George, komm her!“

Der Gestank war fast unerträglich für George. Als er Nim erwartungsvoll ansah, und sie keinen Ekel zeigte oder irgendwelche Grimassen zog, riß er sich zusammen.

Ihm war schon einmal während eines Ausfluges nach Bangkok aufgefallen, wie unbekümmert Thais an einem nach Verwesung stinkenden Khlong leben konnten, wo doch ihre Nase sonst so empfindlich war? Und genau an diese stinkenden Khlongs erinnerte George dieser überwältigende Geruch im Schlafzimmer.
 
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Episode 5.21

„Zudecken!“ sagte Nim unvermittelt und deutete auf das breite Bett. Im gleichen Moment schaltete sie die Deckenbeleuchtung an.


George traf der Schlag: „Ach du heilige Scheiße!“

Da lag eine halb zugedeckte Leiche. Eine Hälfte des Gesichtes war frei. Das Auge war geschlossen und das Lid und Umgebung schmierig grünblau. Der Mund stand weit offen.

„Ist das dein Mann, äh, war? Ich meine, als er noch lebte. Vorher, als er noch nicht tot war“, stammelte George, leicht verwirrt nach Worten ringend, ohne seinen Blick von der Leiche abzuwenden.

„Kha, komische Frage“, antwortete Nim und ließ ihre Blicke durch das Zimmer wandern. Der Safe war verschwunden, aber Nim verlor kein Wort darüber.

Widerwillig ordnete George die dünne Decke wieder so an, daß sie den ganzen Körper inklusive Gesicht bedeckte und verließ das Schlafzimmer.

Im Wohnraum erweckte ein Bild von Nim und Lothar seine Aufmerksamkeit, auf dem Nim ihren verstorbenen Ehemann anstrahlte. Es schien aus glücklicheren Tagen zu sein. George nahm es hoch und studierte es eingehend. Ihn interessierte der Unterschied zu Nims Blick, so wie er sie kannte. Er kam zu dem Schluß, daß Nim ihn weitaus verliebter anhimmelte, als Lothar auf diesem Bild.

George wollte das Haus eigentlich sofort verlassen, nachdem er die Leiche vollständig zugedeckt hatte. Er stellte das Bild an seinen Platz zurück, aber wieder hielt ihn etwas auf. Der Kühlschrank versprach kaltes Bier oder gar Hochprozentigeres. George hatte das Gefühl, sich einen Drink verdient zu haben.

Als er die Türe mit dem Chromgriff öffnete, purzelte eine noch unversehrte Orangensaftpackung heraus. George hob sie auf und stellte sie wieder an ihren Platz. Um an die Bierflaschen zu kommen, mußte er einige Colaflaschen zur Seite räumen. George nahm sich eine Chang Bier heraus und drückte die Türe mit seiner Hand wieder zu. Den Flaschenöffner fand er erst beim dritten Versuch in einer der Schubladen.

George setzte sich auf die Bank unter dem Fenster, auf der Lothar gesessen hatte, als George ihm das Veilchen verpasst hatte. Nim hatte offensichtlich nichts dagegen einzuwenden. Sie schenkte George im Augenblick sowieso keine Beachtung, denn sie schien etwas zu suchen.

George war nicht etwa schlecht geworden, noch war er übermäßig geschockt. Er brauchte einfach ein paar Minuten, um seine Gedanken an der frischen Luft zu ordnen.


So ist das also, dachte er. Vor ein paar Tagen noch hatte Lothar Nim zusammengeschlagen, in George unbändigen Haß hervorgerufen und ihm eine Kopfnuss verpaßt, so daß ihm Hören und Sehen vergangen war.

Und jetzt? Jetzt lag Lothars bereits entstellte Leiche im Bett, stank wie ein total versiffter Khlong in Bangkok und löste sich in seine Moleküle und Atome auf. Ziemlich entwürdigend. Alle negativen vorherigen Gefühlswallungen Georges gegenüber Lothar schienen im Nachhinein völlig sinnlos.

Die Geste Nims mit dem Lampion kam George nun sehr respektvoll vor. Seiner Meinung nach gab sie damit dem Toten wenigstens etwas Würde zurück. An Geistergeschichten wollte er nicht glauben, obwohl sie ihn irgendwie doch faszinierten. Sein Physikstudium und seine Karriere als Ingenieur konnten bei George die unbewußte und unerfüllte Sehnsucht nach Mystik und dem Unerklärlichen nicht stillen.

Wie unwichtig war die Rolle Lothars in Georges Leben plötzlich geworden. Der Haß auf ihn war verflogen. Fast schien es, als ob George sich plötzlich in einem Paralleluniversum befände, wo eine andere Zeitschiene ablief. Eine Zeitschiene ohne Lothar, aber glücklicherweise mit Nim.

George wurde aus seinen Gedanken gerissen als Nim versuchte, die Haustüre hinter sich abzuschließen. Aber das Schloß war zerbrochen. In einer Hand hielt Nim die Plastiktüte, die vorher den Lampion beherbergt hatte. Sie war prall gefüllt mit einigen ihrer Anziehsachen.

Obwohl Nim sofort bemerkt hatte, daß der Safe nicht mehr an seinem Platz auf dem Boden war, hatte sie trotzdem noch einmal das Schlafzimmer durchsucht. Im Fußboden war noch die Delle zu erkennen, die der Safe beim herunterfallen verursacht hatte.

Vielleicht wollte vinyan ihr einen Streich spielen? So sehr sie sich auch umgesehen hatte, der Safe war weg. Wie vom Erdboden verschluckt.

Nim sagte George nichts von dem verschwundenen Safe. Sie hatte George vorher überhaupt nichts von dem Safe erzählt, denn sie war sich nicht im Klaren darüber, wo sie den hinbringen sollte. Zu ihrer Schwester auf keinen Fall. Die hätte nicht locker gelassen, bis Nim den Inhalt mit ihr teilte oder schlimmer noch, hätte ihn vor ihr versteckt.


Blieb vergraben oder George. In seinem Wagen wäre der Safe erst einmal sicher gewesen. Aber das hätte sie ihm erst gesagt, wenn er ihr dabei geholfen hätte, den Safe aus dem Hause zu tragen. Doch all diese Gedanken waren theoretischer Natur, denn der Safe war weg. Während ihrer Abwesenheit war jemand in das Haus eingedrungen und hatte den Tresor gestohlen.
 
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Episode 5.22

„Ich will dir danken. Kenne schönes Zimmer. Du hast Zeit für mich?“


George konnte sich schon denken, was Nim meinte. Stundenhotel. Er haßte es, mit Nim solche Etablissements aufzusuchen. Mit ihr kam ihm das einfach nur billig vor.

Natürlich war für George die Situation nicht neu. Fast jeden Freitag abend nutzte er Rose’ Abwesenheit aus und leistete sich ein Schäferstündchen mit einem der vielen Bargirls. Nie war ihm eines nahe gegangen. Manche hatte er ein- oder maximal zweimal wiedergesehen. Keine hatte einen bleibenden Eindruck oder ein Verlangen nach etwas Ernsterem bei ihm hinterlassen. Ein festes Verhältnis mit einem Bargirl anzufangen, kam ihm einfach nur lächerlich vor. Doch mit Nim war alles anders.

Unwillkürlich mußte George an Sara denken. Zum ersten Mal waren sie im Anschluß an eine Party in der Wohnung ihrer Freundin, deren Eltern ausgeflogen waren, übereinander hergefallen. Beide waren noch jung, George noch auf der Highschool, und Sara wohnte in einem Studentenwohnheim auf dem Universitätsgelände.

Nach der ersten Nacht mit Sara bei deren Freundin hatten sie sich fortan manchmal Motelzimmer gesucht, wenn sie die Lust überkam und keine sturmfreie Bude zur Verfügung stand. Sara zog sich dann immer sofort aus und kam gleich zur Sache. Nichts Vertrautes stand in diesen von einem Bett beherrschten Zimmern. Alles war zu offensichtlich und deutete nur auf das Eine hin. Das gefiel George nicht. Vielleicht war er zu sensibel, was das anbelangte?

Trotzdem verliebte sich George immer mehr in Sara. Besonders während der vielen gemeinsamen Ausflüge, sei es in die Natur oder in eines der typisch amerikanischen Lokale, mit den viereckigen Bars in der Mitte der Gaststätte. In deren Innenraum, hinter der Theke, widmeten die freundlichen Bedienungen ihre Aufmerksamkeit den Gästen in allen vier Himmelsrichtungen. Dazu gute Musik, Fernseher an den Wänden und angenehmes Plaudern. Als er ein paar Jahre zuvor nach Pattaya kam, fühlte er sich an den Bierbars gleich heimisch. Die standen zwar meist im Freien, waren aber zumindest überdacht und ansonsten nach dem gleichen Prinzip gebaut.

Am meisten bewunderte er Saras unbekümmerten und fröhlichen Freiheitsdrang sowie ihre kritische Einstellung gegenüber jeglicher Bevormundung des Staates oder, wie sie es nannte, der Obrigkeit. Dazu gehörten auch ihre Eltern. Polizisten waren Schweine in Saras Augen.

Sara hatte die Beziehung wohl beendet, weil sie den Eindruck hatte, George würde sie zu sehr einengen. Wie so oft nach all den Jahren, sinnierte George darüber, daß er mehr wollte als eine Liebschaft, Sara hatte das anders gesehen und trennte sich von ihm.

Trennungsangst hat George seitdem nie mehr verlassen. Jetzt mit Nim ging es ihm ähnlich. Nims Verhalten erinnerte ihn zunehmend an Sara. Ihr geschmeidigen, manchmal tierhaften Bewegungen, ihr Schrägstellen des Kopfes, als ob sie auf eine Frage wartete, der Sex, der ganz natürlich kam, ohne wirklich ein Paar zu sein. Und da war noch mehr, aber George war für diese Erkenntnis noch nicht bereit...
 
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Episode 5.23

George fühlte sich miserabel, obwohl ihn Nim gerade mit allen Regeln der Kunst verwöhnt hatte. Nim lag auf dem Bauch, George küßte ihren Rücken.


„Warum hast du dich so lange nicht gemeldet?“ fragte er und erwartete eine Antwort, die ihm sicherlich nicht gefiele. Die Kunst, unglücklich zu sein.

„Vergessen Handy aufzuladen.“

„Aber du wußtest doch, daß ich versuchen würde, dich zu erreichen?“ bohrte George nach.

Doch damit hatte er keine Chance. Nim schwieg und tat so, als ob sie seine Frage nicht gehört hatte.

In George keimte der Gedanke auf, daß sie möglicherweise knapp bei Kasse gewesen war und sich mit einem Farang eingelassen hatte, um sich etwas nebenbei zu verdienen. Aber weshalb hatte sie dann nicht ihn angerufen? Sie wußte doch, daß er sie bezahlen würde.

George verkrampfte sich zusehends. Wäre er nur von Nim enttäuscht gewesen, hätte er seine üble Laune verstanden, aber war das nicht gerade ein Anflug von Eifersucht, der ihn überkam?

„Ich rufe dich an!“ sagte Nim irgendwann trotzig.

Scheiß Thailändisch, dachte George. Die Sprache war so unbestimmt, so schwammig, daß er sich manchmal wunderte, wie die Thais überhaupt untereinander kommunizieren konnten. Und genauso übertrugen sie das ins Englische. Meinte Nim, daß sie ihn anrufen würde oder meinte sie, daß sie ihn angerufen hatte? Er entschied sich für die Möglichkeit, daß sie das letztere gemeint hatte.

Das stimmte, nach mehreren Tagen hatte sie sich tatsächlich bei ihm gemeldet. Aber zwischendurch hatte Nim einen Blackout. George wußte nicht, was sie getan oder – genauer gesagt – getrieben hatte.

Nim drehte sich langsam zur Seite und dann schnell auf den Rücken. Sie sah George an.

Er wandte ihr unvermittelt den Rücken zu und griff nach einer Büchse Bier, die neben dem Bett auf dem Boden stand.

Nim kuschelte sich an George, umarmte ihn und küßte seinen Nacken. Dann fuhr sie mit ihren Fingern über seinen Nacken bis zwischen seine Schulterblätter.
„Hast du hier eine Tätowierung?“ fragte sie plötzlich.


„Wieso?“ fragte George, seinen Blick Richtung Fenster gewandt. Mehr als den geschlossenen Vorhang konnte er nicht sehen. „Du siehst doch, daß da nichts ist.“

„Ich liebe dich zu sehr, Jack Dawson. Vielleicht hast du ein geheimes Tattoo?“ half Nim nach.

George nahm einen großen Schluck aus der Büchse, stellte sie wieder auf den Boden und drehte sich zu Nim.

„Zu sehr? Was erzählst du da eigentlich?“ fragte er. „Ein geheimes Tattoo? Was soll das denn sein?“

„Manche Dinge Farang nicht leicht verstehen“, antworte sie und ließ es dabei bewenden.

George fragte nicht weiter nach. Manchmal war ihm Nim ein einziges Rätsel, er wußte nicht so genau, ob er den Dingen auf den Grund gehen sollte. Zumindest nicht zum jetzigen Zeitpunkt.

„Na ja“, sagte George, dem zunächst nichts Besseres einfiel. Schließlich sagte er: „Jack Dawson?“

„Titanic“, meinte Nim. Jack und…“

„Rose“, vollendete George den Satz.

Kannte Nim den Namen seiner Frau? Den hatte er nie in ihrer Gegenwart erwähnt. Würde Nim jetzt etwa sagen, daß sie gerne seine Rose so wie im Film sein wollte? Aber George unterschätzte seine Freundin, das sollte noch häufig geschehen. Vielleicht hatte sie es so gemeint, aber sie erwähnte das Thema Jack und Rose nicht mehr.
 
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18 Oktober 2008
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Episode 5.24

Einen Tag später war George wieder in Nongprue. Nim hatte die Totenfeier in kürzester Zeit arrangiert. Bei ihr zu Hause. Sie sollte nur eine Nacht dauern, da die Leiche stark in Verwesung überging. Sie blähte sich schon auf. Bereits für den folgenden Morgen war die Einäscherung geplant.

So kam es, daß George neben Wayne, Nim, neun Mönchen und den zockenden und saufenden Nachbarn in Nims Haus an der letzten und einzigen Nacht der Totenwache für Lothar teilnahm und nachsann, was da eigentlich gerade passiert war.

Es war ein Freitag, Rose’ üblicher Ausgehabend, so daß George keine Ausreden erfinden mußte.

So richtig verstand George die ganze Aufregung nicht. Werden wir nicht alle irgendwann gefressen, dachte er. Von Würmern, Käfern, Maden und all dem anderen Getier, welches unsere toten Körper als Teil ihrer Nahrungskette betrachten?

In diesem Fall waren es Tokays, die sich vermutlich an Lothars Innereien gelabt hatten und sich danach in Nims Schoss kuschelten. Ziemlich exotisch zwar, aber dennoch angemessen in diesem Teil der Welt.

Aber wie es schien, würde Nim in Nongprue zur Person non grata erklärt werden. Die Geschichte mit dem vinyan am Vorabend zeigte George, daß der Geisterglaube bei diesen Leuten tief verwurzelt war. Fehlte nur noch der Mob, der zur Hexenverbrennung aufrief. War Nim in Gefahr?

Vielleicht wäre es wirklich das Beste, wenn Nim ein Zimmer in Pattaya hätte, dachte George. Zumindest, bis Gras über die Angelegenheit gewachsen wäre. Hatte Nim nicht selbst während ihres Anrufs darum gebeten? George würde die Miete bezahlen. Nicht ganz uneigennützig, wie er sich eingestehen mußte. Stundenhotels wären damit erledigt. George nahm sich vor, bevor er sich an diesem Abend von Nim verabschiedete, ihr das Angebot zu machen.
 
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