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Thailand Gefangen in der Thai Mystik

Iffi

In Memoriam
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18 Oktober 2008
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Kapitel 4.0

„Hoffentlich fängt es nicht an zu regnen“, sagte Rose besorgt.


Blitze zuckten am Horizont über den Himmel, aber nur einmal war ferner Donner zu hören. Sehr weit weg, wie George feststellte, der wie immer automatisch die Sekunden zwischen Blitz und Donner mitgezählt hatte.

„Eher ein Wetterleuchten“, sagte er aufmunternd zu seiner Frau.


Rose hatte zu ihrem Geburtstag ein paar Gäste eingeladen, darunter ein kanadisches Ehepaar, geplant war eine Grillparty im Garten am späten Nachmittag. George hatte sich früher freigenommen. Rose’ Geburtstag fiel auf einen Mittwoch, und den wollte sie nicht ohne Feier mit ihren liebsten Freunden verbringen. Die große Party, zu der sie die Nachbarschaft eingeladen hatte, sollte erst am Wochenende stattfinden.

„Wenn es anfängt zu regnen, müssen wir uns etwas einfallen lassen“, sagte Rose.


„Wir können uns im Notfall auf die Veranda zurückziehen“, sagte George mit einem weiteren prüfenden Blick Richtung Himmel.

Rose betrachtete die überdachte Veranda und schätzte ab, ob dort genug Platz für Grill, Tische, Stühle und natürlich ihre erlesenen Gäste vorhanden war. Plötzlich klingelte ihr Telefon. Sie hörte mehr zu als sie sprach.


„James und seine entzückende Frau haben leider abgesagt“, teilte sie George daraufhin traurig mit. „Dort, an der Second Road gießt es in Strömen, die Straßen stehen unter Wasser. Er sagte, wenn er herkommt, müßte er zuerst ein Longtail-Boot auftreiben. Oh je, George, hoffentlich wird es hier nicht auch so schlimm.“

„Dann müssen wir eben alles alleine aufessen“, sagte George. „Ich werde schon mal den Grill anwerfen, was soll’s. Vielleicht hilft das ja, das Gewitter zu vertreiben. Wir müssen eben nur ganz fest dran glauben.“

Rose ging auf den kleinen Scherz nicht ein, sondern eilte in die Küche. Sie mußte umdisponieren und das Beste aus der Situation machen. Sie haßte es, das Beste aus etwas machen zu müssen. Nun sah sie sich gezwungen, neue Szenarien zu entwerfen, gleich mehrere. Da war die neue Sitzordnung, auch wenn sie nun nur noch zu viert sein würden, und wenn es zu regnen begann, mußten sie auf die Veranda umziehen, was wieder einer ganz anderen Planung bedurfte. Rose überließ nichts dem Zufall, ihre Gartenpartys waren kein Vergnügen, sondern Arbeit. Das Vergnügen zog sie später aus der Befriedigung, daß alles planmäßig abgelaufen war. Doch an diesem Tag hatte sie das unerklärliche Gefühl, daß ihr nicht nur das Wetter einen Strich durch die Rechnung machen könnte.

Als Rose in der Küche verschwand, nutzte George die Gelegenheit, sein Zweithandy auf Anrufe oder SMS zu überprüfen. Nim hatte sich aber nicht gemeldet, und nun machte sich George ernste Sorgen um seine „Zweite-Sara-Chance“. So nannte er Nim mit dem offiziellen Namen Apsara in seinen geheimsten Gedanken.
 
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Iffi

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18 Oktober 2008
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Episode 4.1

Zweimal war George in den vergangenen Tagen in der Bar gewesen, aber hatte Nim dort nicht angetroffen. Nur ihre Schwester, die offensichtlich den Streit mit George um Nims Bar-fine nicht vergessen hatte. Sie sah George böse an und sprach nicht mit ihm. Auch die anderen Mädchen waren einsilbig, sie hatten sicherlich die Order bekommen, nicht mit George zu reden. Seine Fragen nach Nim wurden mit einem schlichten
mai ru – weiß nicht – beantwortet, danach war die Konversation meistens beendet.

Er hatte auch das Gefühl gehabt, daß eine unsichtbare Spannung in der Luft lag. Beim ersten Besuch bestellte er einen Drink, um seinen guten Willen zu zeigen und war dann unverrichteter Dinge wieder abgezogen.

Beim zweiten Mal hatte er Wayne in der Bar getroffen. George konnte sich noch gut daran erinnern.

Nach der Arbeit, die er eher unwillig erledigte, obwohl ihm sein Job normalerweise sehr viel Spaß machte, ging er spätnachmittags in Nims Bar.

Wayne saß an der Theke und winkte George zu. Er mußte sich zumindest kurz zu ihm setzen. Er hatte keine andere Wahl, um nicht auf Dauer unhöflich zu wirken.

„Na, George, alte Säule! Alles klar? Was treibt dich her? Check out?“ Wayne lachte schnippisch.

„Was?“ fragte George lahm, während er sich anschickte, sich auf einen Barhocker neben Wayne niederzulassen.

Noch bevor er sich setzte, fragte eines der Bargirls: „What you like some drink?“

Darüber konnte George nur den Kopf schütteln. War es nicht möglich, sich erst einmal in aller Ruhe hinzusetzen, bevor die Bestellung aufgenommen wurde? Er war in einer Bar, und eine Bar war zweifellos zum Trinken da. Aber dennoch konnte er diese Eile der Frauen hinter der Theke nie begreifen. Warum sollte er sich setzen, wenn er nichts wollte.

Wie sehr sehnte er sich in solchen Momenten nach seiner attraktiven Lieblingswirtin zu Hause in den Staaten, die, wenn sie in besonders charmanter Laune war, ihn fragte: „Hast du noch Zeit für einen Drink?“, daraufhin hinter der Bar hervorkam, sich neben ihn setzte und ihn bat, sich noch ein Weilchen mit ihm unterhalten zu dürfen.

Seine Laune verschlechterte sich zusehends, denn Nim war offensichtlich wieder nicht da. Zur Sicherheit überprüfte er sein Telefon. Kein Anruf in Abwesenheit und auch keine SMS von ihr.


Und als ob Nims Abwesenheit und die Frage nach dem Drink, bevor er sich gesetzt hatte, nicht genug gewesen wäre, machte Wayne komische Witze oder wie immer Bemerkungen, die sowieso niemand verstand.

„Check out?“

„Wir sind doch hier nicht im Hotel, Mann!“ entgegnete George unwirsch.

„Na, du bist doch sicherlich hier, weil du eine der Tussis mitnehmen willst“, erklärte Wayne.

„Ach so“, sagte George und fügte hinzu: „Pay bar.“

„Pay bar. Check out. Das ist doch dasselbe“, meinte Wayne und trank einen Schluck Bier.

Wayne war sicherlich ein angenehmer Gesprächspartner, dachte George. Und wußte eine ganze Menge. Aber er lebte wohl in seiner eigenen Welt, in Wayne’s World. Zwar ging er immer damit hausieren, daß er schon vor 1970, während des Vietnamkrieges, das erste Mal in Pattaya gewesen war, aber daß sich seitdem Dinge geändert hatten, und dazu gehörte sicherlich auch die Barsprache, das wollte Wayne wohl nicht so recht einleuchten. Was sein Wissen über Kultur, Religion, Buslinien und Wasserwege in Bangkok anbelangte, war Wayne aber brauchbar, fand George.

„Ich will die hier heute mitnehmen. Noi, komm mal her!“ rief Wayne über die Theke. „Sag mal meinem Kumpel George Guten Tag!“

„Hallo“, hauchte Noi ohne George weiter zu beachten, da auch sie anscheinend Anweisung erhalten hatte, nicht mit George zu reden.

„Nachher check out, nicht wahr, Noi?“ Wayne lachte schallend.

George atmete den Rauch seines Zigarillos tief ein und nahm einen großen Schluck vom bestellten Black Nam. Den hatte er jetzt nötig. Leider war das Glas schon wieder halb leer.

Wayne erzählte etwas von einem antiken Khmer-Tempel in Buriram mit einem derartig seltsamen Namen, daß George ihn sich nicht merken konnte und sofort vergaß. Wayne schien auch weit gereist und alles in Thailand zu kennen. Doch George hörte nur mit halbem Ohr zu. Was interessierten ihn irgendwelche Ruinen in Buriram?

Aus den Augenwinkeln bemerkte George, daß ein Mädchen die Bar betrat. Sie machte einen Wai in Stirnhöhe in Richtung Barschrein und fuhr sich anschließend mit beiden Händen durch die langen Haare. Dann begrüßte sie die grimmig dreinschauende Mamasan und legte ihre Handtasche hinter der Theke ab.

George, der immer noch halbherzig den Erzählungen von Wayne lauschte, der vom Hundertsten ins Tausendste kam und nun von irgendwelchen Resorts in Buriram berichtete, schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn. Das Mädchen war Nim. Fast hätte er sie nicht erkannt, so grandios sah sie an diesem Tag aus.

Das Mädchen ging auf die Ablage hinter dem Tresen zu und setzte sich.

George wollte gerade freudig: „Hallo Baby“ rufen, als er mit sinkendem Herzen erkannte, daß es nicht Nim war. Die beiden hatten eine ähnliche Figur und die Länge der Haare stimmte auch überein. Hier war wohl der Wunsch Vater des Gedankens gewesen.

Check bin“, sagte George.


„Nicht so schnell“, sagte Wayne. „Ich muß dir unbedingt noch was Wichtiges erzählen!“

George steckte passend einen Hunderter in den Bin und stand auf. „Das kann warten.“ Über Reiseführer und Buriram hatte er genug gehört.
Nim meldete sich auch am nächsten Tag weder telefonisch noch anderweitig. George konnte sie nicht erreichen, weil ihr Telefon abgeschaltet war.


Es mußte etwas passiert sein, das wurde George mit jedem Tag klarer. Am schlimmsten wäre wohl gewesen, wenn das ihre Art war, mit ihm Schluß zu machen. Noch schlimmer, als damals mit Sara. Aber warum sollte Nim das tun? George schloß diese Möglichkeit kategorisch aus, blieb im Grunde nur noch, daß ihr Ehemann sie so sehr verprügelt hatte, daß sie zu schwach war, um sich bei George zu melden. Vielleicht war dieser Typ nun völlig ausgerastet. Diesen Gedanken ertrug George nicht. Oder lag Nim etwa wieder im Krankenhaus? Er wollte sich in allen Krankenhäusern der Stadt erkundigen.

Im Pattaya Hospital war sie nicht mehr, das hatte er schon überprüft. Sie war am Tag nach ihrer Einlieferung wieder entlassen worden. Der behandelnde Arzt, der George wiedererkannte, hatte gesagt, daß seine Oberschwester ihn aufgefordert hatte, polizeiliche Meldung zu machen, um den Schläger zur Rechenschaft zu ziehen. Sie sei bekannt dafür, daß ihr die Mädchen leid täten, die mit solchen Verletzungen eingeliefert wurden, die offensichtlich nicht von einem Unfall stammten. Miss Apsara sei zwar kein Einzelfall, aber die Oberschwester hätte sich sogar persönlich bis zur Entlassung um diese Patientin gekümmert. Als Arzt im Bereitschaftsdienst der Notaufnahme habe er aber besseres zu tun, als ständig Gutachten für die Polizei zu liefern.

„Und wie denken Sie darüber, Mr. George?“ fragte der Arzt sich vorbeugend und mit einem Anflug von Vertraulichkeit.
George fühlte sich zusehends unbehaglicher. Nicht nur, daß er dann eventuell als Zeuge geladen würde, sondern alleine die Frage des Arztes ließ nichts Gutes erahnen. Wollte er etwa einen Deal vorschlagen?


Mit den Worten: „Ich möchte das lieber mit Nim, äh, Miss Apsara besprechen, ehe Sie etwas unternehmen“, verabschiedete sich George etwas überstürzt.

Die Ansage über die Lautsprecheranlage des Krankenhauses: “Oberschwester Däng bitte zum Bereitschaftsarzt“, hörte er nicht mehr.
 
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Iffi

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18 Oktober 2008
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Episode 4.2

Rose unterbrach Georges Gedanken.


„Kümmere dich bitte um unsere Gäste und biete ihnen etwas zu Trinken an. Ich habe noch in der Küche zu tun“, rief sie George zu.

Lediglich ein befreundetes Ehepaar aus der Nachbarschaft war eingetroffen. Allan und Lisa, beide aus Kanada. Auch sie wohnten nur zur Miete, da sie als Ausländer nicht Eigentümer von Land und Haus sein konnten. Es sei denn, sie hätten sich auf vertragliche Tricks eingelassen, die im juristischen Streitfall nur zu Verlust ihrer Investition geführt hätten.

Die beiden genossen ihr Leben in Pattaya. Sie kannten Thailand schon seit Jahren und hatten irgendwann beschlossen, sich dort niederzulassen. In Pattaya fanden sie eine moderne Infrastruktur, die neben der thailändischen Exotik alle Annehmlichkeiten der westlichen Gesellschaft bot. Allan war erst Anfang 50, hatte sein gutgehendes Taxiunternehmen in Vancouver gewinnbringend verkauft und sich vom Arbeitsleben verabschiedet. Lisa war eine lebensfrohe Frau, Mitte 40, schlank, sexy und mit einem guten Herz. Sie und Rose hatten sich in dem gemeinnützigen Verein, in dem beide tätig waren, kennen und schätzen gelernt. Sie versuchten leidenschaftlich, das Los vernachlässigter Kinder in Pattaya zu bessern. Da endeten aber schon die Gemeinsamkeiten zwischen beiden. Während Rose einen Kontroll- und Putzfimmel hatte, sich in der tropischen Umwelt von feindlichem Getier, insbesondere Insekten und Kriechtiere umgeben sah, überließ Lisa die Pflege ihres Heimes zwei einheimischen Hausmädchen und genoß die Natur, ob im Garten oder während der vielen Ausflüge ins ländliche Thailand, die sie mit Allen unternahm.

Allen war Rose’ Einladung nur wegen seiner Frau gefolgt und weil er mit George über ein gemeinsames Hobby reden konnte, nämlich, wie er es nannte: „außerparlamentarische Seitensprünge“. Allen wäre aber nie zusammen mit George losgezogen. Jemand anderem anschaulichen Einblick in seine Sexkapaden zu gewähren, kam für ihn nicht infrage. Mehr als das übliche Männergeschwätz über die exotische Weiblichkeit gab er im Gespräch nie preis.

George kümmerte sich um die Getränke, Lisa gesellte sich nach kurzer Zeit zu Rose in die Küche und übergab ihr lächelnd ein Geburtstagsgeschenk, ein Buch mit dem Titel: „Erst 13“.

Dazu bemerkte sie: „Unser soziales Arrangement für Kinder und besonders für heranwachsende Mädchen hier in Pattaya ist notwendiger denn je.“

Die beiden Männer rauchten auf der Veranda, tranken Bier und übten sich in Small Talk.

Gerade als George Allen wegen seiner Erlebnisse mit Nim um Rat fragen wollte, sich vorgebeugte und zum Flüstern ansetzte, schritten beide Frauen mit Tabletts voller Salate, Soßen und Gewürzen über die Veranda und in Richtung Tisch unter einem riesigen Sonnenschirm auf dem Rasen. Steinplatten im Gras zeichneten den Weg vor. Rose trug Gummistiefel während Lisa wie ein junges Mädchen barfuß lief. Das Geschirr und die Namensschilder hatte Rose schon vorher arrangiert. Rose sorgte aber trotzdem mit bestimmenden Hinweisen dafür, daß jeder seinen für ihn vorgesehen Platz einnahm.

„Paß bitte mit der Soße auf, George, und bekleckere nicht wieder alles“, sagte Rose.

George blickte grinsend zu Allen hinüber. Der verhielt sich neutral.

Lisa versuchte die Stimmung aufzulockern: „Ich beneide dich um dein Kind, Rose. Meiner tut immer so erwachsen.“

„Habe ich euch schon von dem kleinen Jungen in dem von uns betreuten Heim erzählt, der nicht sprechen will, sondern nur sonderbare Laute von sich gibt?“ fragte Rose in die Runde.

George und Allan sahen sich an, beide mit den gleichen Gedanken: nicht schon wieder. Es würde wie immer in Rose’ Empörung über die verdorbenen Mütter und die unverantwortlichen Väter enden. Dabei seien die Kleinen doch so süß, aufgeweckt und hilflos.

„Dieser kleine Junge bekommt in unregelmäßigen Abständen etwa alle ein bis zwei Wochen Besuch von einer jungen Frau. Sie streitet ab, seine Mutter zu sein, gibt vor, sie sei eine entfernte Nichte. Das einzige was ich von ihr weiß, ist ihr Rufname: Nim.“

George horchte auf. „Nim?“ entfuhr es ihm, um es gleich darauf zu bereuen.

„Ja, Nim, was soll daran so Besonderes sein?“ wunderte sich Rose über Georges plötzliches Interesse.

„Ach nichts. Die Sekretärin meines Chefs heißt so.“

„Na, die scheint ja ein tolles Frauenzimmer zu sein, wenn dich der Name so beeindruckt.“

George entschied, den Macho zu spielen und in die Vorwärtsverteidigung zu gehen.

„Die ist leider schon vergeben. Andernfalls würde ich mehr Überstunden machen, meine Liebe.“

Lisa grinste. Allen blickte stoisch in die Runde. Rose fand das nicht besonders witzig.

„Und jetzt erzähl mir bloß noch, daß dich ‚deine’ Nim kürzlich fast täglich wegen irgendwelchen angeblichen Formulierungen in ihrer Dokumentations-Arbeit angerufen hat.“

Rose war nicht dumm, stellte George nicht zum ersten Mal während der langen Ehe fest. Aber hatte er sie nicht gerade deshalb einmal geheiratet, weil sie so ein „cleveres Mädchen“ war?

„Nein, das war Kai, mein Assistent. Bitte Rose. Erzähl doch weiter von diesem kleinen Buben und seiner Nichte.“

George vermied bewußt den Namen Nim.


Rose ließ sich beschwichtigen. Auch wollte sie sich nicht zu sehr vor ihren Freunden bloßstellen. Es ging sie nichts an, daß Rose in letzter Zeit an Georges Treue zweifelte.

„Einverstanden, dir sei verziehen, Darling“, rang sich Rose mit einem Lächeln ab.
 
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tongshi

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28 Oktober 2010
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Die Strippen im Beziehungsgewirr werden immer mehr .Sind aber noch überschaubar. :bigg Du verstehst es blendend die Spannung Stück für Stück zu steigern. :daume
 
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Iffi

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Freut mich, dass es noch übersichtlich bleibt. Es wird noch verworrener, aber ich hoffe, dass meine lieben Leser weiterhin folgen können. :zwink
 
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tongshi

คนต่างดาว
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28 Oktober 2010
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Mit Sicherheit bleiben wir dran. Selbst wenn ein Punkt kommen sollte, wo unser analytischer Verstand aufgibt und wir möglicherweise ins Reich der Mystik eintauchen müssen. :wink1 Wie auch immer deine Geschichte verlaufen wird, bisher total interessant.Für mich etwas Besonderes. Toll. :daume
 
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Clearmaker

Schreibwütig
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16 Februar 2010
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am Lech...
Aber nicht dann irgendwann abbrechen und sagen..och jetzt muss ich erst noch ein Paar Monate weiterschreiben...Ihr müsst Euch solange gedulden..dann gibst Ärger .:bigg:hund2
 
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Iffi

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18 Oktober 2008
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Episode 4.3

Und dann erzählte Rose, daß der etwa dreijährige Junge stumm zu sein schien, nur mit der Zunge schnalzte, aber seit kurzen manchmal zwei Worte stammelte. Es höre sich an wie ‚to gai’ oder so ähnlich. Rose buchstabierte die Laute auf Englisch.


„Weiß jemand, was das bedeuten könnte?“ fragte Rose in die Runde.

Sie erhielt nur allgemeines Achselzucken.

„To gai?“, meldete sich Allen schließlich zu Wort. Das bedeutet ‚gehen’ Vielleicht will er weg?“

Rose verzog keine Miene. „Ach ja, und noch etwas. Nim, seine angebliche Nichte, bringt jedes Mal ein Spielzeugtier mit. Immer die gleiche Kreatur aber aus verschiedenen Materialien und in unterschiedlichen Farben. Sieht aus wie ein kleiner Dinosaurier. Mal aus Stoff, dann wieder aus Plastik, aus Holz und einmal sogar aus Gummi. Teilweise sahen die täuschend echt aus und wenn der Kleine es in der Hand hielt, konnte man glauben, daß es sich bewegte. Ich wäre fast gestorben. Ihr kennt mich ja.“

George bekam jedes Mal einen Stich ins Herz, wenn er den Namen „Nim“ aus Rose Mund hörte und fühlte sich sogar ertappt, obwohl er wußte, daß Rose keinen Clou hatte.

Allen mischte sich mehr aus Höflichkeit, denn aus Interesse in das Gespräch ein.

„Wie unterhält sich denn diese Nim mit diesem Kleinen? Versteht der überhaupt Worte, oder ist er womöglich auch noch taub?“

„Nein, taub ist er nicht. Er reagiert auf Geräusche. Nim unterhält sich eigentlich nicht mit ihm, sondern macht die gleichen schnalzenden Laute wie der Kleine und streut seit kurzem hin und wieder auch ein ‚to gai’ dazwischen. Es scheint aber, daß sie sich ausgezeichnet verstehen.“

„Ist schon recht sonderbar“, fügte Lisa hinzu. „So richtig laufen will er auch nicht, sondern schlängelt sich lieber auf dem Bauch zwischen all seinen Spielzeugdinosauriern auf dem Boden herum. Es scheint so, als ob er eine gewisse Affinität zu diesen Tieren hätte.“

Allen konnte es sich nicht verkneifen: „Na ja, vielleicht ist da etwas bei der Wiedergeburt schief gelaufen, ha ha.“

George hörte nur mit halbem Ohr zu. Inzwischen hatte er sich wieder beruhigt. In Pattaya gab es sicher unzählige Mädchen, die Nim gerufen wurden. Genauso wie Dao, Lek, Noi, Pum, Däng und wie sie alle hießen. Das war sicher alles nur ein Zufall.

George stand auf und entschuldigte sich für einen Moment. Er habe eine Überraschung für Rose. Er verließ die Runde Richtung Haus.

Drinnen angekommen, überprüfte er zunächst zum wiederholten Male SMS und eingegangene Anrufe auf seinem Zweit-Handy. Wieder nichts. Was war nur los mit Nim?


Dann stieß er von innen die Haustüre zur Straßenseite hin auf, ging zu seinem unter dem Vordach geparkten Wagen, öffnete die hintere Seitentüre und nahm einen in Geschenkpapier gewickelten etwa einen Meter langen Gegenstand vom Rücksitz. Er sah wie ein Stab aus, der an einem Ende eine Wulst hatte.

Als er mit diesem verpackten Gegenstand wieder in den Garten trat, waren alle Blicke gespannt auf ihn gerichtet.

„Liebe Rose. Dieses Jahr habe ich mir für dich etwas Nützliches ausgedacht. Ich konnte deinem Kampf im Garten mit der Fliegenklatsche am Besenstil nicht mehr zusehen. Als Ingenieur habe ich meinen Erfindergeist spielen lassen und dir ein High Tech Gerät gebastelt. Ich hoffe, es erleichtert dir den Alltag im Garten.“

Nach diesen Worten überreichte George das Geburtstagsgeschenk an Rose und gab ihr einen Kuß auf die Wange.

Rose lächelte gerührt. Sie hatte schon befürchtet, daß George völlig vergessen hatte, ihr zur Feier des Tages ein Präsent zu überreichen. Jetzt hatte er sogar ein Geschenk selbst gebastelt und sich auch noch etwas dabei gedacht. Was könnte sich wohl unter dem bunten Papier verbergen? Rose war glücklich, denn außerdem lief aus ihrer Sicht die Geburtstagsfeier im kleinen Kreise ordnungsgemäß ab, und es schien, daß dies so bleiben würde, als ein blubberndes aber kräftiges Motorengeräusch, das auf- und abebbte, die übliche Ruhe in dieser Wohnanlage störte. Rose drehte ihren Kopf Richtung Haus.
 
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Iffi

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Episode 4.4

„Hier müßte es sein“, sagte Wayne mehr zu sich selbst als zu Noi auf dem Sozius und spielte dabei am Gas, das die Drehzahl des Motors seiner Harley hoch- und runter trieb.


„Das einzige Haus in dieser Anlage, wo der Garten dahinter liegt und nicht an der Straße“, murmelte Wayne. „Was soll’s. Du verstehst sowieso nichts, Honey. Steig schon runter.“

Beide nahmen ihre Helme ab. Wayne schüttelte leicht den Kopf, Noi strich sich mit den Händen die fein zurechtgelegten Haare glatt. Wayne trug ein sauberes kurzärmeliges Hemd und Jeans, war rasiert und sah überhaupt zur Abwechslung einigermaßen gepflegt aus. Das war immer der Fall, wenn er sich für ein paar Tage ein Mädchen anlachte. Die Vernachlässigung seines Äußeren wich dann einer gewissen Gepflegtheit, die ihn zu einem ziemlich attraktiven Kerl machte. Als Sokhrapok-Wayne, schmutziger Wayne, wollte er dann nicht durchgehen.

Noi trug sehr kurze Shorts, für die eine Bezeichnung als „Hot Pants“ gehörig untertrieben war. Dazu ein schulterfreies, sehr enganliegendes weißes Top mit Spaghettiträgern – und nichts darunter. Es war naß und halb durchsichtig. Ihre langen Haare waren sauber zu einem Dutt am Hinterkopf zusammengesteckt, weil sie sonst beim Motorradfahren zu schmutzig geworden und unter dem Helm zu durcheinander geraten wären, wie Noi Wayne einmal schon fast entschuldigend erzählte. Wayne liebte lange schwarze und ungefärbte Haare. Er kannte Noi erst seit zwei Tagen und hatte sie George vor kurzem in der Bar vorgestellt.

Im sehr schmalen Vorgarten, etwa zwei Meter breit, verlegte ein Gärtner Steinplatten in den Rasen. Die Hausherrin hatte ihn dazu aufgefordert, da sie nicht gerne durch Gras ging. Wayne fragte ihn nach „Mr. George“ und wollte gerade auf den Klingelknopf drücken, als ihm der Gärtner den Weg um das Haus herum wies.

„Mr. George im Garten. Madame auch“, erhielt Wayne als Antwort.
 
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Iffi

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Episode 4.5

George sah die Überraschungsgäste zuerst. Einerseits erfreut über die Abwechslung in dieser langweiligen Runde, andererseits befürchtend, daß Wayne sich verplappern könnte. Was wollte der überhaupt hier? So gute Kumpels waren sie nicht, daß man einfach beim anderen zu Hause hereingeschneit kam.


„Entschuldigung bitte. Mein Name ist Wayne“, sagte Wayne in die Runde, „Ich möchte wirklich nicht stören. Kann ich dich mal kurz sprechen, George?“

Rose legte ihr unausgepacktes Geburtstagsgeschenk zur Seite und sah wegen dieses ungeplanten Vorfalls, wie sie so etwas zu bezeichnen pflegte, nicht gerade begeistert aus, aber der zivilisierte Umgangston des ihr nicht bekannten Herrn beruhigte sie. Mit dem halbnackten Mädchen in ihrem Garten war sie jedoch ganz und gar nicht einverstanden.

„Nehmt doch Platz und eßt und trinkt was mit“ sagte George, stand auf und holte zwei Stühle von der Veranda, ehe Rose überhaupt etwas entgegnen konnte.

Allen nickte mit Blick auf das durchnäßte weiße Top des neuen weiblichen Gastes mehrmals zustimmend vor sich hin und rückte zur Seite.

Auch Lisa schien nicht abgeneigt zu sein und sagte augenzwinkernd zu Rose: „Die junge Dame nehmen wir in unsere Mitte. Da ist sie vor unseren Männern sicher. Außerdem kannst du froh sein, daß noch zwei unangemeldete Gäste gekommen sind. Jetzt bleibt bestimmt nicht so viel Essen wegen der Absage übrig.“

Als alle am Tisch saßen, Noi zwischen Lisa und Rose, Wayne zwischen George und Allen, trat zunächst eine unangenehme Stille ein. Rose wollte gerade zur Routine übergehen und die beiden Neuankömmlinge bewirten, als Noi auf Rose’ Teller zeigte.

„Oh, das sieht lecker aus. Darf ich mal probieren?“

Dabei griff sie sich einfach einen gegrillten Hühnchenflügel mit einer Hand von Rose’ Gedeck und mit der anderen ein Salatblatt aus der großen Schüssel.

Rose sah mit offenem Mund zu.

Mai pet“, nicht scharf, sagte Noi, verzog den Mund und machte Anstalten, den angeknabberten Hähnchenflügel wieder auf Rose Teller zurückzulegen und das wie von einer Raupe angefressene Salatblatt in die Schüssel.

Rose kämpfte mit den Tränen. Wenn ihr etwas heilig war, dann das Essen auf ihrem eigenen Teller. Wayne versuchte zu retten, was zu retten war. Er entschuldigte sich bei Rose und schlug Noi vor, erst von seinem Teller zu kosten und ihm dann zu sagen, was ihr schmeckte. Damit könne sie sich schließlich ihren eigenen Teller voll laden.

Lisa wandte sich an Rose und erklärte ihr, daß Thais ihr Essen grundsätzlich miteinander teilen und es durchaus üblich sei, zwischendurch einmal von den anderen zu kosten.

Rose versuchte tapfer, wieder zu ihrer Rolle als Gastgeberin zurückzufinden.

„Was machen Sie denn beruflich?“ fragte sie Noi.

George, Allen und Wayne schnitten wie auf Kommando konzentriert mit ihren Messern an den Fleischstücken auf ihren Tellern. Ihre Blicke gesenkt, damit man ihr krampfhaft unterdrücktes Lachen nicht erkennen konnte. Lisa wartete in froher Erwartung auf Nois Antwort.

„Ich gehe mit Farangs. Mache sie happy too much“, lautete Nois Antwort mit völlig unschuldigem Gesicht. „Fuck and forget, verstehst du?“ Sie machte mit beiden Händen ein Victory-Zeichen: „Vögeln und vergessen.“

Allen sprang auf und sagte mit sonderbar verkrampfter Stimme: „Ich muß mal auf die Toilette.“

George auf die gleiche Art: „Ich auch.“

Wayne brach der Schweiß aus, Lisa versuchte wie immer abzulenken, um ihre Freundin Rose nicht zu sehr in Verlegenheit zu bringen und sagte zu Noi: „Du bist eine sehr hübsche junge Frau.“

„Findest du wirklich? Deine Beine auch sehr schön, keine Haare. Andere Farang-Frauen zu viele Haare überall“, erwiderte Noi.

Rose hatte zwar wie immer lange Hosen aus dünnem Stoff im Garten an, die unten in ihren Gummistiefeln steckten, blickte aber verstohlen auf ihre Oberschenkel, als ob sie den Stoff mit Röntgenblicken durchdringen könnte. Ihre nackten Arme mit dem unübersehbaren Flaum darauf ließ sie unter den Tisch sinken und erstarrte zur Salzsäule.

Noi sah unverwandt auf den nicht gerade kleinen Busen ihrer Gastgeberin und fragte: „Sind die echt?“

Ohne eine Antwort abzuwarten, griff sie zu und sagte: „Djing, djing“, wirklich echt, „kann ich mal sehen?“

Für Rose war der Tag gelaufen. Alle ihre Befürchtungen waren wahr geworden. Eine dieser nichtsnutzigen „Aufsteigerinnen“ hatte ihren Geburtstag verdorben.
 
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Mo Fan

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22 November 2008
4.515
547
1.753
Pattaya
Bei "Djing, djing" landete mal wieder der Morgencafé auf dem PC.
Herrlicher Bericht, Iffi - schreib´ weiter!:zwink
 

Iffi

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Episode 4.6

Als George und Allen sich wieder bruhigt hatten und von der Toilette zurückkehrten und die illustre Runde wieder beisammen saß, berichtete Wayne von seinen Reiseführern und lud alle Anwesenden auf eine Bootstour auf einem der Bangkoker Khlongs ein.


„Es müssen aber alle mit öffentlichen Bussen anreisen, das ist die einzige Bedingung“, fügte Wayne hinzu.

„Dann können wir uns alle hinter die feindlichen Touristenlinien begeben“, meinte George. „Swift und silent.“

„Genau“, sagte Wayne. „Schnell und geräuschlos. Aber nicht unbedingt tödlich.“ Er zwinkerte George zu.

„Was meinen Sie damit?“ fragte Rose.

„Ich war in Vietnam damals.“ Wayne schob den rechten Ärmel seines Hemdes nach oben, um sein Totenkopf-Tattoo zu zeigen.

„Und wie war es?“

„Scheiße.“

Um die nachfolgende Stille zu unterbrechen, sagte Lisa: „So etwas prägt sicherlich für den Rest des Lebens.“

Wayne schwieg.

„Gab es irgendein Erlebnis, das, äh, das…“, begann George.

„Das mir besonders in Erinnerung geblieben ist?“ führte Wayne den Satz fort. „Ja.“ Es war die vierte Tour, auf der ich war. Die Vietcong drängten uns zurück, im Grunde wußten wir alle, daß der Krieg längst verloren war. Wir konnten uns aus unseren Stützpunkten kaum noch herauswagen, höchstens mit Unterstützung der Luftwaffe. Aber die half auch nichts, was Scharfschützen anging.

Mit einer Handvoll Leute war ich wieder einmal hinter den Linien, und einer nach dem anderen wurde von einem Scharfschützen abgeballert. Zuletzt waren wir nur noch zu zweit, und wir schworen uns, den Sniper zur Strecke zu bringen, um jeden Preis. Auch wenn wir selbst dabei draufgehen sollten.

Ich will Euch nicht mit alten Geschichten langweilen, und mache es kurz. Ich habe ihn erwischt. Mir gelang es, mich von hinten an ihn ranzuschleichen und nahm mein Messer und…“

Wayne machte mit dem Arm eine blitzschnelle Bewegung, als würde er jemandem die Kehle durchschneiden.

„Und dann?“ fragte Allen, der als Kanadier nie mit dem Krieg in Südostasien zu tun gehabt hatte.

„Der Typ fiel um wie ein nasser Sack“, fuhr Wayne mit seiner Erzählung fort. „Auf den Bauch. Mein einzig übrig gebliebener Kumpel aus dem Platoon tauchte auf und drehte den Scharfschützen auf den Rücken. Er war noch nicht tot, flehte uns an, daß wir ihn töteten. Aber das war noch nicht alles. Der Scharfschütze war kein Mann, sondern eine junge Frau, und eine sehr hübsche dazu.

Mein Kumpel sagte nur: ‚Kein Bumm-Bumm mehr für dieses Baby-san. Dann erschoß er sie.“


Am Tisch machte sich betroffenes Schweigen breit, während George verstohlen in Waynes Richtung schielte. Erzählte der die Wahrheit oder flunkerte er? George kam diese Geschichte bekannt vor, er hatte genau das, was Wayne beschrieben hatte, schon einmal in einem Film gesehen.

Vor seinem inneren Ohr erklang der Song: All Along the Watchtower von Jimi Hendrix. Ein Song, ohne den ein Vietnam-Movie kaum denkbar ist.



„Die Toten wissen nur eines“, schloß Wayne seine Erzählung ab, „es ist besser, am Leben zu sein.“


Er nahm einen letzten Schluck aus seinem halbleeren Bierglas, erhob sich und faßte Noi an der Hand. „Laß uns gehen, Honey.“

George erstarrte. Honey? Sara hatte ihn immer so genannt, die Geliebte, die er nicht vergessen konnte. Auch nicht nach all den Jahren.
Wayne entschuldigte sich noch einmal bei Rose und wandte sich an George. „Verabschiedest du uns noch an der Tür?“


„Geht ihr schon?“ fragte Rose mit gespielter Enttäuschung, während sie insgeheim innerlich aufatmete.

„Ich begleite die beiden nur schnell nach draußen“, sagte George, seine Fassung wiedergewinnend. „Bin gleich wieder da.“
 
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Iffi

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18 Oktober 2008
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Episode 4.7

Draußen vor dem Tor ließ Wayne die Katze aus dem Sack.


„Nims Ehemann ist tot. Meine ehemalige Geliebte und leider Immer-Noch-Ehefrau erzählte mir das. Sie hat Bekannte in Nongprue. Er war wohl in eine Schlägerei verwickelt, denn er hatte ein gehöriges Veilchen und eine Stirnverletzung.“

George ließ diese Mitteilung erst einmal sinken. Tausend Gedanken schossen ihm durch den Kopf. Zuerst der Arzt im Pattaya Hospital, der Andeutungen über eine eventuelle Anzeige wegen Körperverletzung machte und nun erzählte ihm Wayne, daß es sogar einen Toten gab.

„Ich habe versucht, dich zu warnen. Du warst aber nicht aufnahmefähig“, hörte George Waynes Stimme in weiter Ferne. „Ist mir nicht ganz klar, warum, aber ich kann dich gut leiden. Falls du Hilfe brauchst, weißt du, wo du mich findest.“

Mit diesen Worten bestieg Wayne seine Harley und Noi gleich danach. Beide setzten ihre Helme auf und Wayne startete die Maschine.

„Ach ja, und noch was. Die Nachbarn erzählen von einem Farang, der Nims Ehemann nach dem Streit am Vorabend seines Todes verließ. Er fuhr den gleichen Autotyp wie du.“

George war für einen Augenblick wie gelähmt. Das Umschlagbild des Buches „Willkommen in der Hölle“ erschien vor seinem geistigen Auge, auf dem sich ein Mann mit einem verzweifelten Gerichtsausdruck an Gitterstäbe klammerte. Sprachlos und mit dem Gefühl als würde er durch eben diese Gitterstäbe auf dem Buchcover blicken, starrte er Wayne an. George malte sich aus, wie er als Unschuldiger in die Mühlen der thailändischen Justiz geraten könnte. Wie dort aus Opfern und Zeugen plötzlich Angeklagte wurden, nur weil der oder die wirklichen Täter das bessere Netzwerk und die nötigen Geldmittel besaßen.

Das letzte, das George von Wayne und Noi an diesem Tage sah, waren Nois lange nackten Beine und Schultern, als die beiden durch das Haupttor fuhren. Er mußte bei diesem Anblick an Nim denken. Wo steckte sie bloß? Auf was hatte er sich da eingelassen? Der Himmel wurde zunehmend dunkler. Es begann zu tröpfeln.
 
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Iffi

In Memoriam
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Verstorben
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18 Oktober 2008
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Episode 4.8

Georges Gedanken überschlugen sich. Wie in einem Film spulten sich die Erinnerungen an den Abend ab, als er auf Nims Hilferufe reagierte, halsbrecherisch von Map Ta Phut nach Pattaya in die Bierbar ihrer Schwester fuhr, Nim dort nicht antraf, ziemlich aufgebracht Waynes Einladung zu einem Bier ablehnte, sich wutentbrannt in sein Auto setzte und davon fuhr.


Das Ziel seiner Wut, ein Mann um die Fünfzig, saß seelenruhig mit gerötetem Gesicht auf einer Bank vor Nims Haus in Nongprue. Eine Flasche Bier in der Hand. Das mußte Nims Ehemann sein. George fackelte nicht lange und verpaßte ihm einen Hammerschlag, wie George glaubte, aufs Auge.

Der Mann ließ noch nicht einmal seine Flasche fallen, stand auf und versetzte George einen Kopfstoß. Er sackte in sich zusammen. So sehr er sich bemühte, wieder aufzustehen, es gelang ihm nicht. Seine Beine waren wie Butter. Dann wurde ihm schwarz vor Augen.

George kam nach kurzer Zeit wieder zu sich. Er lag auf dem Bauch und krallte sich am sandigen Boden fest. Wenn ihm sein Gegner den Schädel hätte einschlagen wollen, wäre das nun eine günstige Gelegenheit gewesen. George biß die Zähne zusammen und wartete, aber nichts passierte.

An Aufstehen war nicht zu denken, daher rollte sich George auf die Seite.

Sein Kontrahent saß wieder auf der Bank vor dem Haus und hob die Bierflasche. Bevor er einen kräftigen Schluck nahm, prostete er George zu und grinste breit.

Der Typ trug ein buntes Hemd, er hatte sich nicht die Mühe gemacht, es zuzuknöpfen. George fiel auf, daß der Mann kurze Hosen und Gummilatschen trug. Mit denen konnte man wohl kaum richtig zutreten, dachte George. Er schätzte sich glücklich, auch wenn sein Kopf wie wahnsinnig pochte, als hätte ihn ein Wasserbüffel getreten.

Mit einem Knall stellte der Mann die Bierflasche auf der Bank ab, kam auf George zu und beugte sich ein wenig nach unten.

„Hau ab. Lauf! Und laß dich hier nie wieder blicken!“ sagte er spöttisch. „Und wenn du nicht weißt, mit wem du es zu tun hast, dann sag’ ich’s dir: Ich bin der Lothar. Frag mal in der Nachbarschaft. Erkundige dich ruhig. Nach Lothar, dem Deutschen, der hier mit seiner Frau Nim lebt. Ich hab bislang noch jeden verprügelt, der mir zu nahe gekommen ist.“

Lothar versetzte George nun doch einen Tritt – in den Arsch –, und setzte sich wieder auf die Bank. Er wußte, wann der Gegner genug hatte und verzichtete dann auf weitere Schläge. Nur bei Nim gelang ihm das nicht mehr. In ihr sah er sein gesamtes Unglück versammelt, daß er ihr unbedingt herausprügeln wollte. Er bildete sich zwar ein, wenig Kraft in die Schläge für Nim zu legen, aber fand immer seltener ein Ende.

George wagte keinen zweiten Versuch. Seine Wut war Verzweiflung gewichen.


Wenigstens zeigten sich die ersten Anzeichen eines ordentlichen Veilchens auf Lothars rechtem Auge.

George rappelte sich auf, taumelte zu seinem Wagen zurück. Sein Gleichgewichtssinn war noch nicht hundertprozentig zurückgekehrt.

Mittlerweile hatten sich ein paar Dorfbewohner versammelt und betrachteten George neugierig.


Nim, wo ist Nim, fragte der sich. Vielleicht war sie inzwischen wieder in der Bar ihrer Schwester. Er fuhr hin.
 
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Iffi

In Memoriam
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18 Oktober 2008
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Episode 4.9

George bereute diesen Zwischenfall. Was wußte Wayne? Was hatte der vor? Der hatte ihn nun schon mehrmals gewarnt.


Als George nach Waynes Verabschiedung wieder im Garten war, sagte Rose mehr traurig als wütend: „George, bitte. Versprich mir, daß du so etwas wie heute nicht mehr zuläßt. Du weißt, wieviel Streß mir solch ungeplante Gäste bereiten und wie sehr ich diese Art von Frauen verabscheue.“

George zeigte Reue in seinen Augen, als er Rose ganz lieb ansah.

„Ich komme mir dann immer so vor, als ob mir alles entgleitet und ich die Kontrolle über mein Leben verliere“, fuhr Rose fort. „Ich brauche dann jemanden, der mich beschützt.“

Mit einem Nicken sagte George: „Ich verstehe deine Gefühle, Rose, sorry.“

Allerdings dachte er dabei mehr an sich selbst. Auch seinem Leben schien die Kontrolle langsam zu entgleiten. Auch er brauchte vermutlich einen Schutzengel, um aus der ganzen Sache wieder heil herauszukommen.

Rose begann, in dem nun immer heftiger werdenden Regen die Polster der Gartenstühle in Sicherheit zu bringen. Sie hastete immer zwischen der Veranda und dem noch gedeckten Tisch hin und her, während sie entschied, was sie als nächstes ins Trockene bringen sollte. Allen und Lisa waren ihr dabei behilflich.

George stand neben dem Grill. Das Fleisch, das noch auf dem Rost lag, begann zu zischen und zu dampfen, als es von den Regentropfen getroffen wurde.

„George, hilf mir doch mal!“ rief Rose, als sie sich anschickte, selbstgehäkelte Untersetzer vor der Feuchtigkeit in Sicherheit zu bringen.

Doch George hörte nicht, was Rose sagte, weil er sich auf eine andere menschliche Stimme konzentrierte. Es hörte sich an, als ob ein Name gerufen wurde: „Dab gä.“ Gab es solch einen Namen auf Thai?

George ging der Stimme nach.

Dab gä, dab gä, dab gä“, ertönte es nun immer lauter.

George konnte aber niemanden entdecken. Wer sagte das?

Der Regen hatte sich intensiviert, es goß aus allen Kübeln. Innerhalb von Sekunden war George bis auf die Haut durchnäßt. Aber er merkte es nicht.

Dab gä!“

Plötzlich versank alles in Dunkelheit. Der strömende Regen hatte zu einem Stromausfall geführt, wie so oft.

George konnte kaum die Hand vor Augen sehen, zumal Regentropfen von der Stirn in seine Augen lief.

Noch einmal hörte er „Dab gä“, diesmal fast direkt vor ihm.

George wischte sich so gut es ging, das Wasser aus den Augen.

Das Wesen auf Georges Rasen hob den Kopf und schaute ihn erwartungsvoll mit großen Augen an.

George ließ sich langsam auf den Rasen sinken, rührte sich ansonsten nicht vom Fleck, machte keine unbedachte Bewegung und versuchte, nicht allzu aufdringlich diese Kreatur anzusehen. Aus den Augenwinkeln beobachtete er sie allerdings ausgiebig.

Wirre Gedanken schossen ihm durch den Kopf. Zum Beispiel Dankbarkeit darüber, daß wieder die Exotik in sein Leben zurückgekehrt war. Eine Exotik, von der er schon glaubte, sie durch Gewohnheit und Übermaß an Genuß verloren zu haben. Er widerstand dem Drang aufzustehen, sich dem Wesen zu nähern und es zu streicheln. Es genügte, daß es mit ihm zusammen im strömenden Regen im Gras saß, um ihm eine Botschaft zu übermitteln.

Dab gä.“

Bevor das Wesen geräuschlos mit einem Satz in der Finsternis verschwand, wußte er genau, was er tun mußte.

Ende Kapitel 4
 
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