Episode 1.10
Etwas schepperte und klirrte auf dem Boden hinter der Theke. Als George in diese Richtung sah, entdeckte er Nim in der Hocke, die etwas aufsammelte. Sollte etwa...?
Tatsächlich. Mae Thoranie hatte durch den Zug, der sich im Windhauch des Ventilators bewegenden Blumengirlande ihr Gleichgewicht verloren und war heruntergefallen.
Mit den Bruchstücken in ihren zwei hohlen Händen kam Nim mit ernstem Gesicht hinter der Bar hervor, setzte sich neben George und breitete die Scherben auf der Theke aus. George sah mit einem Blick, daß nichts zerbröselt war. Die Erdgöttin und Beschützerin Buddhas war sauber in sechs Teile zerbrochen. Ein Puzzle, das sich eventuell wieder vollständig zusammensetzen ließ.
Nim sah George wie ein Kind an, dessen Lieblingsspielzeug sich in seine Bestandteile aufgelöst hatte. Zum ersten Mal legte sie ihre Hand auf seinen Unterarm und sprach, ohne daß er sie etwas fragte. George war wie elektrisiert.
„Hör zu. Ich möchte du tust mir Gefallen. Machst du?“
„Klar“
„Du guter Mann. Kein Tourist baba bobo. Du trinkst langsam. Ich sehe weißes Hemd, schwarze Hose, schwarze Schuhe. Sauber. Du clever. Haben gute Fragen und schnell verstehen Antwort. Du auch lustig. Virgo macht nicht Bumm, ha ha. Gut für Frauen. Frauen haben das gerne.“
George bildete sich ein zu verstehen, warum sich Nim vorher alleine mit seinem Namen zufrieden gegeben hatte. Sie verließ sich auf ihre Beobachtungsgabe und beurteilte Männer zusätzlich anhand derer Fragen. Ohne Eitelkeit, so bildete er sich typisch männlich zumindest ein, unterschrieb er jede ihrer Charakterisierungen seiner selbst, denn er hielt sie nicht für übertrieben oder gar Bauchpinselei. Aber was wollte Nim eigentlich von ihm?
„Du nehmen Mae Thoranie nach Hause. Du sie heilen. Du gute Hände. Vielleicht magic. Wenn Mae gesund, mir zurückgeben. Bitte.“
Georges Gedanken überstürzten sich. Das einzige, was wirklich in seinem Hirn hängenblieb, war, daß er Nim wiedersehen würde. Ihre Bitte klang wie eine Verabredung.
George sagte nur: „Versprochen. Die Figur wird wieder wie neu aussehen.“
„Nein, nicht Figur. Mae Thoranie Bib Muay Phom. Sag’ einfach ‘Mae Thoranie.’“
„Mae Thoranie wird wieder wie neu aussehen“, antwortete George wie in Trance.
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Mit einem nicht unbedingt unangenehmen Gefühl mußte er sich eingestehen, daß er sich in dem unbekannten Netz der asiatischen Mystik langsam verhedderte. Fremd zwar, aber auf jeden Fall aufregend.
„Ich muß jetzt gehen. Du versprechen mir helfen.“
„Djin djin“, sicherlich, sagte George, gänzlich ohne jegliche Selbstbestimmung reagierend.
Alleine das Wissen, daß er Nim wiedersehen würde, verhinderte eine tiefe Enttäuschung über ihre Ankündigung, ihn jetzt verlassen zu müssen.
„Du küssen meine Stirn wie Unterschrift auf Vertrag.“
Wie hypnotisiert folgte George Nims Aufforderung. Als seine Lippen ihre Stirn berührten, fühlte er sich wie ein Baby, das auf der nackten Haut seiner Mutter dieses unendlich zufriedene Geborgenheitsgefühl empfand, allerdings viel aufregender.
Nim rief einem Bargirl „sai tung“ zu und erhielt eine durchsichtige kleine Plastiktüte. Darin verstaute sie die sechs Teile von Mai Thoranie und steckte sie in die Hemdtasche auf der linken Brustseite von George.
„Dein Herz wird klein machen Schmerz von Mae.“
Nim machte einen Wai, einen angedeuteten Knicks, sagte: “Sehe dich Montag“, und verschwand ohne eine Antwort abzuwarten auf der Straße.
Wayne beobachtete George und schüttelte leicht seinen Kopf. Für ihn war dieser hoffnungslose Fall erledigt. Oder nicht? In der Haut von George wollte er keinesfalls stecken.
Mamasan beobachtete George nun unverhohlen. Der hatte nur einen Wunsch: nach Hause.
„Check bin“.
Auf dem Weg zu seinem Auto nahm er das lebendige Leben in den Straßen und Bars nicht mehr wahr. Als er sich hinter das Steuer setzte, achtete er sorgfältig darauf, daß der Gurt nicht auf den Schatz in seiner Hemdtasche drückte.
Bald überquerte er die Eisenbahnschienen auf der Soi Siam Country, die weiter hinten an einem Wasserreservoir vorbeiführte und zu dem ältesten Golf Platz von Pattaya gleichen Namens, Siam Country Club, führte. Als rechts der chinesische Friedhof auftauchte, wußte er, daß er bald links abbiegen mußte.
Der Security Guard öffnete das Tor zu der Wohnanlage und salutierte. Vor einem schwarzen Eisentor mit Goldfarben verziert, hielt George an, stieg aus, schob das Rolltor zur Seite, fuhr den Wagen unter das Vordach, schloß das Eisentor wieder und öffnete die Eingangstüre.
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Die erste Türe rechts im Flur führte in die Küche. Dort hing ein Zettel: „Bitte immer nach dem Betreten oder Verlassen sofort schließen. Kuß, Rose.“
Als er das Reich seiner Frau betrat, fand er den gleichen Zettel an der Innenseite der Küchentüre und auch auf der Türe zum Eßzimmer. Eine Camping-Liege mit einem Bettuch, einem Kopfkissen und einer leichten Zudecke stand schon vorbereitet mitten im Raum. George wunderte sich darüber, daß seine immer auf äußere Umstände achtende Rose so schlafen konnte. Doch seine Verwunderung hielt nicht lange an, denn im Grunde war es ihm scheißegal, ob sie in der Küche, auf der Veranda, im Badezimmer oder auf dem Dach schlief. George war zu Hause, und seine Frau saß noch dem gemeinnützigen Verein vor. Hoffentlich noch eine ganze Weile länger.
Es war erst zehn Uhr abends. Der erste Freitag in Pattaya seit unendlich langer Zeit, an dem er nicht in irgendeinem Short-Time-Hotel ein süßes Mädel vernascht hatte. Trotzdem war er unendlich ausgefüllt und auch müde. Aber es war diese sonderbare Müdigkeit, die keinen Schlaf versprach. Vorsichtshalber mit einem kalten Chang aus dem Kühlschrank bewaffnet, stieg er die Treppe zum Schlafzimmer hinauf. Natürlich nicht, ohne die Küchentüre hinter sich zu schließen.
Oben angekommen, zog er sich aus. Die Plastiktüte mit den Scherben von Mae Toranie legte er auf den Nachttisch. Die Dusche war zwar erfrischend, änderte aber nichts an seinem Zustand der undefinierbaren Befangenheit in etwas völlig Fremden. Nim. Was machte sie wohl gerade? Wo mußte sie plötzlich hin? George fühlte keine Eifersucht, nur starkes Verlangen nach ihrer Gegenwart. Er vermißte sie. Wollte seine Lippen an ihrer Stirn festsaugen.
Als er auf dem Bett lag, wollte der Schlaf wie befürchtet zunächst nicht kommen. Die Flasche Chang trank er in nur zwei Zügen aus. Ein Gecko schnalzte sechsmal, dann noch einer und noch einer. Mit diesen Geräuschen schlief George schließlich ein. Er träumte von einer Frau, die mit dem Wasser aus ihren nassen Haaren einen Fluß entstehen ließ und ihn aufforderte zu fragen, wie man ein Boot baut...
Etwas schepperte und klirrte auf dem Boden hinter der Theke. Als George in diese Richtung sah, entdeckte er Nim in der Hocke, die etwas aufsammelte. Sollte etwa...?
Tatsächlich. Mae Thoranie hatte durch den Zug, der sich im Windhauch des Ventilators bewegenden Blumengirlande ihr Gleichgewicht verloren und war heruntergefallen.
Mit den Bruchstücken in ihren zwei hohlen Händen kam Nim mit ernstem Gesicht hinter der Bar hervor, setzte sich neben George und breitete die Scherben auf der Theke aus. George sah mit einem Blick, daß nichts zerbröselt war. Die Erdgöttin und Beschützerin Buddhas war sauber in sechs Teile zerbrochen. Ein Puzzle, das sich eventuell wieder vollständig zusammensetzen ließ.
Nim sah George wie ein Kind an, dessen Lieblingsspielzeug sich in seine Bestandteile aufgelöst hatte. Zum ersten Mal legte sie ihre Hand auf seinen Unterarm und sprach, ohne daß er sie etwas fragte. George war wie elektrisiert.
„Hör zu. Ich möchte du tust mir Gefallen. Machst du?“
„Klar“
„Du guter Mann. Kein Tourist baba bobo. Du trinkst langsam. Ich sehe weißes Hemd, schwarze Hose, schwarze Schuhe. Sauber. Du clever. Haben gute Fragen und schnell verstehen Antwort. Du auch lustig. Virgo macht nicht Bumm, ha ha. Gut für Frauen. Frauen haben das gerne.“
George bildete sich ein zu verstehen, warum sich Nim vorher alleine mit seinem Namen zufrieden gegeben hatte. Sie verließ sich auf ihre Beobachtungsgabe und beurteilte Männer zusätzlich anhand derer Fragen. Ohne Eitelkeit, so bildete er sich typisch männlich zumindest ein, unterschrieb er jede ihrer Charakterisierungen seiner selbst, denn er hielt sie nicht für übertrieben oder gar Bauchpinselei. Aber was wollte Nim eigentlich von ihm?
„Du nehmen Mae Thoranie nach Hause. Du sie heilen. Du gute Hände. Vielleicht magic. Wenn Mae gesund, mir zurückgeben. Bitte.“
Georges Gedanken überstürzten sich. Das einzige, was wirklich in seinem Hirn hängenblieb, war, daß er Nim wiedersehen würde. Ihre Bitte klang wie eine Verabredung.
George sagte nur: „Versprochen. Die Figur wird wieder wie neu aussehen.“
„Nein, nicht Figur. Mae Thoranie Bib Muay Phom. Sag’ einfach ‘Mae Thoranie.’“
„Mae Thoranie wird wieder wie neu aussehen“, antwortete George wie in Trance.
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Mit einem nicht unbedingt unangenehmen Gefühl mußte er sich eingestehen, daß er sich in dem unbekannten Netz der asiatischen Mystik langsam verhedderte. Fremd zwar, aber auf jeden Fall aufregend.
„Ich muß jetzt gehen. Du versprechen mir helfen.“
„Djin djin“, sicherlich, sagte George, gänzlich ohne jegliche Selbstbestimmung reagierend.
Alleine das Wissen, daß er Nim wiedersehen würde, verhinderte eine tiefe Enttäuschung über ihre Ankündigung, ihn jetzt verlassen zu müssen.
„Du küssen meine Stirn wie Unterschrift auf Vertrag.“
Wie hypnotisiert folgte George Nims Aufforderung. Als seine Lippen ihre Stirn berührten, fühlte er sich wie ein Baby, das auf der nackten Haut seiner Mutter dieses unendlich zufriedene Geborgenheitsgefühl empfand, allerdings viel aufregender.
Nim rief einem Bargirl „sai tung“ zu und erhielt eine durchsichtige kleine Plastiktüte. Darin verstaute sie die sechs Teile von Mai Thoranie und steckte sie in die Hemdtasche auf der linken Brustseite von George.
„Dein Herz wird klein machen Schmerz von Mae.“
Nim machte einen Wai, einen angedeuteten Knicks, sagte: “Sehe dich Montag“, und verschwand ohne eine Antwort abzuwarten auf der Straße.
Wayne beobachtete George und schüttelte leicht seinen Kopf. Für ihn war dieser hoffnungslose Fall erledigt. Oder nicht? In der Haut von George wollte er keinesfalls stecken.
Mamasan beobachtete George nun unverhohlen. Der hatte nur einen Wunsch: nach Hause.
„Check bin“.
Auf dem Weg zu seinem Auto nahm er das lebendige Leben in den Straßen und Bars nicht mehr wahr. Als er sich hinter das Steuer setzte, achtete er sorgfältig darauf, daß der Gurt nicht auf den Schatz in seiner Hemdtasche drückte.
Bald überquerte er die Eisenbahnschienen auf der Soi Siam Country, die weiter hinten an einem Wasserreservoir vorbeiführte und zu dem ältesten Golf Platz von Pattaya gleichen Namens, Siam Country Club, führte. Als rechts der chinesische Friedhof auftauchte, wußte er, daß er bald links abbiegen mußte.
Der Security Guard öffnete das Tor zu der Wohnanlage und salutierte. Vor einem schwarzen Eisentor mit Goldfarben verziert, hielt George an, stieg aus, schob das Rolltor zur Seite, fuhr den Wagen unter das Vordach, schloß das Eisentor wieder und öffnete die Eingangstüre.
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Die erste Türe rechts im Flur führte in die Küche. Dort hing ein Zettel: „Bitte immer nach dem Betreten oder Verlassen sofort schließen. Kuß, Rose.“
Als er das Reich seiner Frau betrat, fand er den gleichen Zettel an der Innenseite der Küchentüre und auch auf der Türe zum Eßzimmer. Eine Camping-Liege mit einem Bettuch, einem Kopfkissen und einer leichten Zudecke stand schon vorbereitet mitten im Raum. George wunderte sich darüber, daß seine immer auf äußere Umstände achtende Rose so schlafen konnte. Doch seine Verwunderung hielt nicht lange an, denn im Grunde war es ihm scheißegal, ob sie in der Küche, auf der Veranda, im Badezimmer oder auf dem Dach schlief. George war zu Hause, und seine Frau saß noch dem gemeinnützigen Verein vor. Hoffentlich noch eine ganze Weile länger.
Es war erst zehn Uhr abends. Der erste Freitag in Pattaya seit unendlich langer Zeit, an dem er nicht in irgendeinem Short-Time-Hotel ein süßes Mädel vernascht hatte. Trotzdem war er unendlich ausgefüllt und auch müde. Aber es war diese sonderbare Müdigkeit, die keinen Schlaf versprach. Vorsichtshalber mit einem kalten Chang aus dem Kühlschrank bewaffnet, stieg er die Treppe zum Schlafzimmer hinauf. Natürlich nicht, ohne die Küchentüre hinter sich zu schließen.
Oben angekommen, zog er sich aus. Die Plastiktüte mit den Scherben von Mae Toranie legte er auf den Nachttisch. Die Dusche war zwar erfrischend, änderte aber nichts an seinem Zustand der undefinierbaren Befangenheit in etwas völlig Fremden. Nim. Was machte sie wohl gerade? Wo mußte sie plötzlich hin? George fühlte keine Eifersucht, nur starkes Verlangen nach ihrer Gegenwart. Er vermißte sie. Wollte seine Lippen an ihrer Stirn festsaugen.
Als er auf dem Bett lag, wollte der Schlaf wie befürchtet zunächst nicht kommen. Die Flasche Chang trank er in nur zwei Zügen aus. Ein Gecko schnalzte sechsmal, dann noch einer und noch einer. Mit diesen Geräuschen schlief George schließlich ein. Er träumte von einer Frau, die mit dem Wasser aus ihren nassen Haaren einen Fluß entstehen ließ und ihn aufforderte zu fragen, wie man ein Boot baut...
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