Allerdings mache ich genau ein Foto zuviel. Von einem bunten Haus.
Ein aufgebrachter Motorradfahrer hält neben mir, einer von der Sorte Macho,
die ich schon zu Hause nicht ab kann, Sonnenbrille, Goldkettchen um den
Hals, dicker Ring am Finger. Er schreit mich an, wie ich denn dazu komme
hier zu fotografieren und dass ich nun verhaftet wäre - Dass sich hier im
Kongo jeder wichtig vorkommt und meint etwas zu sagen zu haben, habe ich
schon gelesen. Also lasse ich den aufgeblasenen Heini einfach stehen und
gehe weiter, zu einer Gruppe Mopedfahrer und frage einen, ob er mich
irgendwo hinfahren kann, wo man mal in Ruhe eine Cola trinken kann. Da ist
mein Macho aber schon wieder zur Stelle und wird noch wütender. Nun schaue
ich mir den Typen erst mal richtig an. Am Gürtel sehe ich Handschellen
baumeln -oops- und er hält mir irgendeinen offiziellen Ausweis unter die
Nase. Die Mopedfahrer kuschen vor ihm. Einen weist er an, mich zu einer
bestimmten Adresse zu fahren, und er fährt hinterher.
An einer Kreuzung biegt er rechts ab, in eine wenig befahrene Straße. Links
ginge es zur Grenze, ca. 2 Kilometer entfernt. Ich überlege noch, meinem
Fahrer meine ganzen Dollar anzubieten, wenn er mit Vollgas losbraust und
die Schlagbäume Richtung Ruanda durchbricht. Aber das Motorrad vom
Goldkettchen wäre allemal schneller.
An einem zweigeschossigen Haus endet unsere Fahrt. Muss irgendwas Wichtiges
sein. Das Gelände wird von einer Wäscheleine gesichert, allerdings auch von
mächtig vielen Uniformträgern mit vorgehaltenen MPs.
Goldkettchen zitiert mich nach hinten, wo ein Verließ mit Gittern ins Haus
gebaut ist, weist einen Uniformierten an, die Knasttür aufzusperren und
mich, mein Handy abzugeben und mich dort hinein zu begeben. Netter Versuch.
Ich sage, ich will sofort jemanden sprechen, der Englisch kann und wissen
was mir vorgeworfen wird. Und die deutsche
Botschaft anrufen. Die Nummer
würde ich kennen. Was natürlich Quatsch ist. Dabei bewege ich mich schnell
von dem Verließ weg. Der Ort ist mir gar nicht sympathisch.
Goldkettchen führt mich daraufhin ins Haus zu seinem obersten Boss im
zweiten Stock. Kurz darauf erscheint ein älterer Mann, offensichtlich ein
niederer Scherge, der aber leidlich Englisch spricht und sich nach und nach
als der hellste Kopf dieser ganzen Bande herausstellt.
Oberboss beginnt sein Verhör. Alle sprechen ein gut verständliches
Französisch, ich aber gebe vor rein gar nichts zu verstehen und lasse mir
alles umständlich übersetzen. So gewinne ich Zeit für meine Antworten.
Während der ganzen Zeit bleibe ich überraschend ruhig, wohl wissend was das
Ganze hier soll. Dafür habe ich ja auch meine Dollarscheine eingesteckt.
Bis wir zum zentralen Punkt kommen, vergeht aber eine ganze Weile. Die
Jungs beherrschen das Spiel, haben wohl auch genug Erfahrung darin und
führen eine Befragung durch, die in Sachen Dämlichkeit kaum noch zu
überbieten ist. Beispiel ? Oberboss fragt nach meinem Beruf. "Ich arbeite
in einer Bank". Und was mache ich hier in seinem Land ? "Ich möchte mir
seine schöne Stadt anschauen. Ich komme als Tourist". Ja was bin ich denn
nun ? Oberboss wird ungehalten. Banker oder Tourist ? Eines geht ja wohl
nur. Da erbarmt sich mein Übersetzer und erklärt ihm wortreich, dass man
sehr wohl beides sein kann, man aber natürlich in der Zeit, in der man als
Tourist in Afrika unterwegs ist, nicht gleichzeitig in einer deutschen Bank
arbeiten kann. - Ich erspare mir weitere Details unserer Unterhaltung.
Leider muss ich mich die ganze Zeit zerknirscht geben angesichts meines
unverzeihlichen Fehlers, mich nicht vorher über die Gebräuche des Landes
ausreichend informiert zu haben, dass man hier nicht so einfach in der
Gegend herum fotografieren darf. Steht natürlich nirgends. Das Gegenteil
aber auch nicht. Eigentlich steht hier nirgends etwas. Ist halt der Kongo.
Als Oberboss endlich darauf zu sprechen kommt, dass man fürs Fotografieren
eine Erlaubnis brauche, die natürlich etwas koste, die ich nicht hätte und
folglich erwerben müsste, obendrein auch noch eine saftige Strafe zu
entrichten hätte, mache ich innerlich einen Luftsprung. Es geht voran. Geld
habe ich ja. Wenn auch nicht die Menge, die sie zunächst fordern, insgesamt
500 Dollar. Ich habe eine Null weniger. Das langt aber nach einigem Hin und
Her auch.
Leider ist damit die Sache noch lange nicht beendet. Selbstverständlich
muss ein Protokoll aufgenommen werden, einen Stock tiefer, in einem anderen
Amtszimmer, von einem anderen Amtsträger. Der lässt sich von meinem
Übersetzer kurz ins Bild setzen und holt sich vier leere DINA4-Seiten
Papier. Eine gute Stunde später werden diese vier Seiten in kleinster
Schrift von dem Hansel in Uniform voll geschrieben sein, mit selten
dämlichem Schwachsinn. Der gute Mann fängt ein ganz neues Verhör an,
konzentriert sich dabei auf meinen Reisepass, in dem er allerlei
Ungereimtheiten entdeckt. Wo ist denn mein Ausreisestempel aus
Deutschland ? - "So etwas gibt es bei uns nicht." - "Unsinn. Wenn man ein
Land verlässt benötigt man einen Stempel. So ist das überall !" - Wie ich
denn überhaupt ins Land gekommen bin. - "Wie bitte ?" Der Mann ist schier
fassungslos. "Sie haben gar kein offizielles
Visum unserer Botschaft ??
Woher haben Sie diesen Stempel im Pass ?" - "Den haben Sie hier an der
Grenze bekommen ? Das ist illegal. Ich werde sofort jemanden losschicken,
diese Leute zu verhaften !" - "Wieso haben Sie nur einen Vornamen ? Jeder
Mensch hat mindestens zwei." - "Wieso hat Ihre Frau denselben Vornamen wie
Ihre Mutter ? Wollen Sie mich verarschen ?" - "Wo ist Ihr Großvater zur
Schule gegangen ?" Und, und, und. Er würde sein Spielchen heute noch
betreiben wenn nicht Oberboss zur Tür reinschaut, sichtlich ungehalten
darüber ist, dass ich immer noch da bin und seinen Untergebenen anweist,
schleunigst das Protokoll aufzunehmen und mich dann außer Landes zu
schaffen.
Leider geht es nun nur unwesentlich schneller voran. Natürlich gehört auch
das zum Geschäft. Endlich kommt der Protokollant zum Wesentlichen. Er hätte
ja Verständnis, das ich auch gern ein paar Fotos mit nach Hause nehmen
möchte, ich könne sie seinetwegen auch behalten, aber ob ich im Gegenzug
nicht auch etwas für ihn tun könne. Nun kommen meine 10 Dollar aus der
linken Hosentasche zum Einsatz. Danach geht alles blitzschnell. Als ich das
Protokoll unterschreibe weist mich mein Übersetzer dezent auf sein
Augenleiden hin, das dringend behandelt werden müsste, aber das ist sein
Problem. Auf dem Ohr bin ich taub. Niedere Schergen bekommen von mir
nichts, besonders dann nicht, wenn ich nichts mehr habe.
Der Protokollant meint tatsächlich einen neuen Freund in mir gefunden zu
haben. Zum Abschluss versorgt er mich mit seiner Telefonnummer und bittet
mich, ihn doch mal anzurufen, wenn ich wieder zuhause bin. Wir wären ja nun
dicke Freunde. Ich sehe die Freundschaft aber als eher einseitig an.
Immerhin schreibt er auch seinen Namen und seine Dienstelle auf. So erfahre
ich zumindest wo ich hier gelandet bin, nämlich bei einer Art
kongolesischer Stasi.
Endlich geht es wieder nach draußen. Ich gehe Richtung Wäscheleine, hinter
der die Mopedfahrer warten, Richtung Freiheit. Da schreit ein dicklicher
Kerl aus einer Gruppe Männer etwas, mein Übersetzer flitzt sofort hin,
macht einen Diener, und ich kriege nun endlich Panik. Der Dicke scheint ein
Ranghoher zu sein. Wenn der auch noch einen Anteil vom Kuchen will wird's
brenzlig. Ich habe ja nichts mehr außer ein paar Francs-Scheinen für das
Moped.
Nach endlosen Minuten ist die Sache geklärt. Ich kann endlich Richtung
Mopeds gehen und lasse mich zur Grenze fahren. Die Mama in der Amtsstube
kennt mich noch, donnert einen weiteren Stempel in meinen Pass und zwei
Minuten später blicke ich in das strahlende Gesicht des ruandischen
Grenzbeamten, der mich freundlichst fragt, ob es mir in Goma gefallen hat.
Gut vier Stunden hat das Abenteuer Kongo gedauert, mehr als die Hälfte
davon in kongolesischen Amtsstuben.
Weitere vier Stunden später, gegen Abend, bin ich wieder in Kigali. Heute
am Samstag hat sogar die größte Diskothek des Landes geöffnet, das "New
Cadillac". Es ist proppenvoll, auch viele Muzungus, wie die Weißen überall
in Ostafrika genannt werden, sind hier. Auf mein kongolesisches Abenteuer
genehmige ich mir heute ein Mützig Bier mehr als sonst üblich. Und
natürlich eine schwarze Lady. Morgen ist Sonntag. Morgen ist nicht viel
los. Da kann ich mal wieder ausschlafen.
*** Ende ***