AW: Die Schlacht hat begonnen - unbemerkt von der Masse
Badische Zeitung 11.04.2010
In der Schlacht um Bangkok sterben 21 Menschen
Nach wochenlangem friedlichen Protest der Regierungsgegner ist die Lage in der thailändischen Hauptstadt Bangkok eskaliert. Mindestens 21 Menschen starben bei gewaltsamen Zusammenstößen.
BANGKOK. Mindestens 825 Menschen wurden verletzt, wie Rettungsdienste am Sonntag mitteilten. Zwei Soldaten, die auf dem Bauch hinter ein paar Sandsäcken liegen, feuern ohne Unterlass. Der dritte Soldat verschießt Gewehrgranaten. Sie explodieren funkensprühend auf der menschenleeren Tanon Tanao, einer Parallelstraße von Khao San, dem Treffpunkt von Rucksackreisenden aus aller Welt in Bangkok. Eine Kugel pfeift über die Köpfe der Soldaten hinweg. Ein Kollege erzählt später, bei den Roten Hemden hätten zwei Männer mit einer Kalaschnikow und einem M-16 Sturmgewehr auf die Soldaten geschossen.
Seit dem frühen Vormittag ist es im alten Teil der thailändischen Hauptstadt immer wieder zu Zusammenstößen gekommen. Die Truppen, die im Auftrag von Premierminister Abhisit Vejjajiva die seit 12. März von den Regierungsgegnern besetzte Straße räumen sollen, setzen scharfe Munition, Gummikugeln und Tränengas ein. Die Roten Hemden von der "Union gegen Diktatur und für Demokratie" (UDD), die eine Auflösung des Parlaments und sofortige Neuwahlen verlangen, werfen Wasserflaschen und Molotowcocktails. Die offiziellen Medien berichten, die Straße sei von Demonstranten geräumt. Kein Wort stimmt.
Jetzt am Abend, in der Dunkelheit, bricht das Chaos aus. In der Nähe des "Denkmals für Demokratie" brennen lichterloh fünf Schützenpanzer, teilt ein Kollege per Textnachricht mit. Ein Armeeoffizier zerrt mich am Ärmel. "Du musst weg!" brüllt er mir ins Ohr. "Wir ziehen ab." Armeechef General Anupong Paochinda hat gerade nach zwölfstündigen Straßenschlachten verkündet, seine Truppen gäben den Versuch auf, die Demonstrationen aufzulösen. "Das wäre nur mit vielen Toten möglich."
Ich suche Deckung hinter einem Betonmast. Plötzlich peitschen wieder Schüsse durch die Nacht. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite brechen zwei Männer zusammen. Einer schreit vor Schmerzen. Jetzt begreifen endlich auch die jungen Urlauber, die gaffend auf der Straße herumstehen, wie gefährlich die Lage ist. Sie rennen weg. Ein Krankenwagen bringt die Verletzten in Sicherheit. Zurück bleiben Blutlachen. Plötzlich ertönt Jubel. Einige Rote Hemden haben einen Pickup mit Soldaten gestoppt. Sie zerren den Fahrer aus der Kabine und versuchen ihn zu lynchen. Ein paar Ordner retten ihn.
"Die Schlacht um Bangkok", wie die Bangkok Post am Sonntag titelt, ist zwar noch nicht entschieden. Premierminister Abhisit entschuldigt sich in einer Fernsehrede, macht aber keinen Hehl aus seiner Entschlossenheit. Aber er steht da wie ein König ohne Kleider. Die Streitkräfte sind anscheinend nicht gewillt, ein Blutbad anzurichten.
Abhisit, der den Notstand ausgerufen, die Oppositionsmedien geschlossen und das Land mit einer ganzen Serie von Falschmeldungen überzogen hat, scheint den Befehl zum Truppeneinsatz nicht gegeben zu haben. "Eine Person von großem Ansehen", so berichten die Medien, habe angeordnet, die Roten Hemden aus Bangkok zu vertreiben. Es soll sich um XXXX gehandelt haben. Ihr Ehemann, der angesehene 82-jährige YYYYYY, liegt seit September im Krankenhaus, und Thailand rätselt, ob er zu der Krise nichts sagen will oder nichts sagen kann. Viele Thailänder fragen sich auch, ob das Land noch auf eine Machtwort des YYYYY hören würde.
Die Roten Hemden lehnen die vom Premierminister angebotenen Verhandlungen ab. "Wir werden nie mit Mördern verhandeln", tönt Jaturon Chaisaeng am Sonntagmorgen und verkündet: "Ich habe heute mit Thaksin Shinawatra gesprochen und gefragt, was wir machen sollen. Er hat geantwortet, das sei unsere Entscheidung." Mit dem Sturz Thaksins, dem gewählten Premierminister, im September 2006 begann die politische Krise, die Thailand nun erschüttert. Er hatte rücksichtslos seine Macht zementiert, ließ 2000 Menschen unter dem allgemeinen Vorwurf des Drogenhandels von Todesschwadronen umbringen und mehrte das Vermögen seines Familienclans. Viele der Roten Hemden erinnern sich aber auch an eine Wirtschaftspolitik, die sich um die Interessen der armen Bevölkerung kümmerte.