AW: Die Schlacht hat begonnen - unbemerkt von der Masse
Die zweite Gesprächsrunde
Montag, den 29. März 2010 um 18:52 Uhr (29.03.2010, Berlin / Bangkok, Mark Teufel) UPDATE2 In diesem Minuten beginnt die zweite Gesprächsrunde zwischen der Regierung und der Vereinigten Front für Demokratie und gegen Diktatur (UDD) in Bangkok. Die gestrige Lifeübertragung soll Einschaltrekorde gebrochen haben, was nach historischen Demonstrationen, historischen Gesprächen nun historische Fernsehsendungen folgen lässt. Heute nun will die UDD nach eigenen Erklärungen eine Entscheidung während die Regierung offensichtlich in keiner Weise gewillt ist über eine Auflösung des Repräsentantenhauses zu verhandeln.
Dieser Artikel ist „semi-live. D.h. ich schreibe den Artikel während ich SMS und Anrufe von Korrespondenten empfange, über TAN_Network die englische Lifeübersetzung sehe und höre und über den People’s Channel mit thailändischen Freunden die Originalübertragung der Rothemden verfolge. Gleichzeitig verfolge ich die Life-Twittereinträge verschiedener Journalisten.
Ein beeindruckende Journalistenmenge umringt die ankommenden Verhandlungsdelegationen. Alle lassen ein Blitzlichtgewitter über sich ergehen. Tulsathit meint „das würde eine Oskarverleihung vor Neid erblassen lassen“.
Veera Musikhapong beginnt mit den Erklärungen. Er beginnt versöhnlich indem er erstens die Erklärung verbreitet, dass die UDD die Auflösung des Parlamentes innerhalb von 15 Tage fordern würde, also abweicht von den Veröffentlichungen in Facebook von heute Nacht. Dann führt er aus, dass er es nicht „die letzte Runde“ bezeichnen würde, aber er fordert einen Beschluss am Ende.
Abhisit antwortet. Er erklärt ein Interesse an einem Ergebnis. „Wir haben viele Seiten konsultiert. Ich muss Ihnen die Wahrheit sagen, viele Leute wollen nicht, dass wir jetzt das Parlament auflösen“. Er erklärt, dass es aber kein Problem gäbe die Legislaturperiode vorzeitig zu beenden. Er fragt, ob man in diesem Rahmen verhandeln könne. 15 Tage wären eine unmöglich zu erfüllende Forderung. „Wenn Sie interessiert sind, können wir weiter verhandeln …“
Jatuporn erinnerte Abhisit daran, dass er Samak aufgerufen hatte das Parlament aufzulösen. Aber Abhisit weicht aus und sagt, diesen Teil habe man gestern besprochen. Wobei er vergisst zu erwähnen, dass er am Vortag auch schon nicht darauf antworten konnte. „Ich sage nicht, dass es keine Auflösung gäbe. Ich sage nur nicht heute oder in 15 Tagen“.
Kommen wir vielleicht meiner Voraussage von vor einigen Wochen näher, dass es zum Jahresende Neuwahlen gibt? Die Spannung steigt.
Jatuporn geht nun in die Offensive. „Sie waren nun ein Jahr und vier Monate Premierminister ohne es verdient zu haben“. Das Gesicht von Abhisit versteinert sich. Die Atmosphäre ist gar nicht mehr so entspannt wie gestern. Jaturporn fährt fort: „Der doppelte Standard in der thailändischen Gesellschaft hat klaffende Wunden hinterlassen“. Jatuporn scheint die Aussagen vorbereitet zu haben, also nicht impulsiv zu reden. „Außer dass sie illegitim an der Macht sind, hat ihre Regierung verschiedene fragwürde Politik angewandt.“ Jatuporn bringt dann eine Reihe von Beispielen über das Versagen der Regierung. Es ist offensichtlich, dass die Rothemden die Möglichkeit suchen, ihre Nachricht an den Fernsehzuschauer zu bringen.
Jatuporn erklärt, dass es notwendig wäre, dass Verfassungsänderungen umfassend sein müssten und daher unter einer neuen Regierung angegangen werden müssten, und nicht unter einer Struktur, die unter der Kontrolle des Militärs steht.
Das Bild das TAN_Network zeigt, ist unterschiedlich von dem, das auf dem People’s Channel gezeigt wird (abgesehen davon dass dort des Öfteren die Reaktionen der versammelten Rothemden eingeblendet werden). Aber es scheint eine Übernahme des Bildes vom staatlichen Fernsehen zu sein.
Jatuporn: „Wenn Sie nicht das Haus auflösen, sind sie nicht besser als ein Tyrann“. Beifall auf der Demontrationsbühne, Atem anhalten bei den Journalisten. Es scheint klar, dass Jatuporn inzwischen der Meinung ist, dass eine Lösung in den Gesprächen kaum zu finden sein wird.
Abhisit beginnt dann zu erwidern, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass er der Meinung gewesen wäre, dass man die Punkte am Vortag bereits besprochen hätte. Er sagt, dass es eine Beleidigung der Abgeordneten wäre, die die Regierung unterstützt zu behaupten, dass sie nicht legitim wäre. Die Regierung wäre in einem normalen parlamentarischen Prozess entstanden, und in Nachwahlen hätten mehr als 20 von 30 die Regierungsparteien gewonnen.
Er fragt, warum „sie“ bei den Wahlen angetreten wären, wenn sie das System verabscheuen würden. Dabei übersieht er, bewusst dass die Rothemden niemals bei Wahlen angetreten waren und auch nicht einen Regierungswechsel direkt fordern, sondern nur allgemeine Wahlen. Jetzt wird nur noch um die Gunst des Zuschauers gekämpft. Jeder will seine Zuschauer zufrieden stellen. Es geht nicht mehr um das Finden eines Kompromisses.
Der „doppelte Standard“ hätte mehr mit Thaksin als mit ihm zu tun. „Wenn wir einen Gerichtsentscheid akzeptieren und einen anderen nicht, dann kann dieses Land nicht mehr weiter machen“, sagt Abhisit.
Wenn Sie selbst die Diskussion verfolgen wollen: "http://www.uddthailand.com"]www.uddthailand.com[/URL] dort kann ein Programm herunter geladen werden, dass mit einem Klick den Sender in einem Fenster erscheinen lässt.
Abhisit sagte, dass er niemals versucht hätte die Ermittlungen in den Songkranfällen zu beschleunigen, als die Demonstranten seinem Wagen aufgelauert hätten oder sogar versucht hätten ihn zu ermorden.
„Warum sprechen Sie nicht über Korruption über die bereits Gerichte entschieden haben“, fragt Abhisit Jatuporn, der die Korruptionsfrage während seiner Rede aufgeworfen hatte. Als er weiter redet nickt Veera Musikhapong. Insbesondere als Abhisit sagt, dass die Verfassung verändert werden müsse aber nicht so, dass sie zum Vorteil einzelner Personen dienen können oder Straftaten. Als Veera nickt, meint er aber wohl eher die Straftaten der Militärs während des Coups von 2006 und im Anschluss, möchte man vermuten. Aber Tusathit und andere Twitter glauben, Veera würde sich der Position des PM annähern.
„Wie viele Menschen glauben, dass wir unter dieser Atmosphäre eine Wahl abhalten können?“ Fragt der Premierminister. Offensichtlich befürchtet er neue Demonstrationen durch die PAD, wenn es zu Wahlen kommen sollte, weil die PAD Wahlen ablehnt? Warum hat die Bewegung dann eine Partei gegründet? Aber das ist größeres Thema.
„Wenn Sie sagen, Sie können die Situation kontrollieren, können Sie mir auch sagen, wer für den Angriff auf das Innenministerium im letzten Jahr verantwortlich war?“ fragt Abhisit aggressiv. Ob jetzt die Songkran Unruhen zum Thema werden? Dann dürfte man bald von den Blauhemden hören. Aber Tulsathit freut sich: „Das war der härteste Schlag von Abhisit bisher“.
„Ihre Anführer standen in der Nähe als das Innenministerium angegriffen wurde, aber niemand sagte halt“, führte Abhisit aus. Nun wird er vermutlich gefragt werden, warum niemand bereit war in Pattaya die Blauhemden des Innenministeriums zurück zu halten, die mit Schusswaffen, Schlagstöcken und anderen Waffen viele Rothemden teilweise lebensgefährlich verletzten.
Nun erzählt Abhisit, dass es Granatangriffe gegen Demonstranten gegeben hätte, und dass er dass nicht noch einmal erleben wolle. Eine Verbeugung vor der PAD. Obwohl heute wie damals niemals ein Schuldiger gefasst wurde. Und nur PAD Wachen im Umfeld der PAD-Demonstrationen mit Sprengstoff und Waffen festgenommen wurden. .
PM: Lassen Sie uns erst den Weg ebnen.
Ich überlege die Berichterstattung abzubrechen, weil kaum Fortschritte zu erwarten sind. Auch Veera sieht sehr gelangweilt, ja verloren aus. Hoffnungslos? Denkt er daran, dass nun, wenn die gewaltfreie Demonstration nicht erfolgreich war, dass die Falken die Oberhand gewinnen werden?
Jatuporn und Abhisit streiten sich darüber, was wirklich am Innenministerium passierte. Sie tun es offensichtlich um die Fernsehzuschauer zu überzeugen oder zu bedienen, nicht um Fortschritte in den Gesprächen zu machen. Vielleicht sollte man die Fernsehübertragung abbrechen.
Zusammenfassung und Bewertung
Das semi-life-Blogging sollte einen Eindruck von der Atmosphäre der Verhandlungen vermitteln, allerdings konnte ich mich nicht intensiv um den Schluss kümmern. Mit diesem Artikelteil will ich näher auf den Inhalt eingehen und die Verhandlungen aus meiner Sicht bewerten.
Die Regierung hatte Verhandlungen hinter verschlossenen Türen vor der Fernsehübertragung verlangt. Dies war von den Rothemden zurück gewiesen worden. Die UDD Führer verlangten die Auflösung des Parlaments zu Beginn der Verhandlungen mit der Aussage wie gestern zum Ende, nämlich innerhalb von zwei Wochen. Die Wahlen sollten innerhalb von 45 Tagen stattfinden.
Premierminister Abhisit antwortete, dass Wahlen alleine keine Probleme lösen würden und dass die Zweiwochenfrist unrealistisch wäre. Er stellte verschiedene Bedingungen, die erfüllt sein müssten, bevor Wahlen stattfinden könnten. Er äußerte außerdem, dass er unmöglich dem „Druck des Mobs auf der Straße“ nachgeben könnte. Ohne aber darauf einzugehen, als man ihm vorhielt, dass die Democrat Party mit dem Mob auf der Straße kooperiert hatte, als die PAD die internationalen Flughäfen und die Regierungsgebäude besetzt hatte.
Die UDD-Vertreter erklärten, dass die derzeitige Regierung illegitim und in Kasernen geschaffen worden wäre, und dass sie die Gesetze mit unterschiedlichen Standards anwenden würde. Es gäbe viele Fälle des dringen Korruptionsverdachts bei militärischen Beschaffungsmaßnahmen, in Projekten der Selbstgenügsamkeitsprojekte und Gesundheitsprojekten (und anderen). Abhisit bestritt, dass es doppelten Standard unter seiner Regierung geben würde und antwortete, dass sich die UDD doch um die Korruptionsfälle kümmern solle, die vor Gericht entschieden waren, und spielte damit auf Thaksin an.
Die UDD erklärte, kein Vertrauen in die Regierung zu haben, und dass diese offensichtlich nicht in der Lage wäre die Verfassung zu reformieren. Sie erklärten, dass Abhisit nur an der Macht bleiben kann, weil er sich in jedem Winkel des Landes mit tausenden von Soldaten umgibt. Eine Wahl, in der alle Parteien ihre wirtschaftlichen und sozialen Pläne und Vorschläge für eine Verfassungsreform darlegen können würde die Wähler in den Veränderungsprozess der Gesellschaft einbeziehen und wäre die demokratischste aller Optionen.
Abhisit wischte die Forderung vom Tisch, die letzte Klausel der Militärverfassung, die den Coup von 2006 nachträglich legitimiert, zu ändern. Und er sagte, dass es unmöglich wäre, unter diesem Klima friedliche Wahlen durchzuführen. Ohne zu erblassen oder zu erröten erklärte er, dass der Coup von 2006 notwendig gewesen wäre, um gewalttätige Auseinandersetzungen von zwei Gruppen zu verhindern. Ein Märchen das schon mehrfach widerlegt worden war. Man hätte denken können, dass er sich besser vorbereitet hätte, als solche schwachen Argumente aus der Mottenkiste zu holen die selbst vom Militär nicht mehr verteidigt werden. Aber es diente ihm als Argument gegen sofortige Neuwahlen.
Die Anführer der UDD antworten, dass nur Wahlen ein demokratisches Mittel wären, um die tiefe Spaltung des Landes zu überwinden und dass die Wähler befragt werden müssten, wie sie sich die Zukunft des Landes vorstellen. Dann verlängerte die UDD die Zeitvorstellung für die Auflösung des Parlamentes und Neuwahlen auf 2 Monate = 60 Tage.
Abhisit seinerzeit reagierte darauf mit der Einführung weiterer Voraussetzungen für Wahlen in die Diskussion. Er erklärte, dass Wahlen erst stattfinden könnten, wenn die Wirtschaft stabilisiert wäre. Er wiederholte, dass Verfassungsänderungen vor Wahlen stattfinden müssten und darauf folgend ein Referendum diese Änderungen bestätigen müssten. Im Endeffekt konnten Wahlen oder die Auflösung des Parlaments frühestens zum Jahresende stattfinden, vielleicht auch erst später. Es könnte sogar sein, dass die Erreichung dieser Ziele länger als die derzeitige Amtsperiode dauert.
Möglicherweise finden nun Verhandlungen hinter verschlossenen Türen statt. Diese hätten den Vorteil, dass die Parteien nicht ein Schaulaufen für das eigene Publikum absolvieren müssten, würden andererseits verhindern, dass eine Kontrolle durch die Öffentlichkeit stattfindet.
Meine Vermutung, dass Abhisit eine Auflösung des Parlaments oder Wahlen zum Jahresende ins Spiel bringen wird ist damit eingetreten. Die Tatsache, dass er das nicht entschlossen genug getan hat, und nun vielleicht nicht die Notwendigkeit sieht, diesem Zeitplan zu folgen, da die Rothemden offensichtlich nicht darauf eingestiegen sind, wird seine Glaubwürdigkeit nicht fördern. Andererseits wird es auch Druck auf die Demokratiebewegung machen.
Möglicherweise werden sie ihr Angebot auf Wahlen in 90 Tage erhöhen. Das dürfte aber ihr größter Spielraum gegenüber ihren Anhängern sein. Für die Reaktion der Öffentlichkeit wird entscheidend sein, wie glaubhaft Abhisit mit seinem Angebot wirkte. Oder ob die Menschen den Eindruck erhielten, dass er nur verzögern wolle.
Der Schlagabtausch dürfte wieder unentschieden ausgegangen sein. Wobei die Rothemden eher benachteiligt sind, weil die Hinhaltetaktik der Regierung Verschleißerscheinungen bei der Opferbereitschaft der Demonstranten zeitigen dürfte. Am nächsten Wochenende werden wir sehen, wie die Gemeinschaft der Rothemden reagieren wird. Trotzig mit noch mehr Demonstranten, oder enttäuscht und resigniert mit einer abflachenden Zahl.
Und wir dürfen darauf gespannt sein, welche Aktionen die UDD am nächsten Wochenende beginnen wird, um weiteren Druck auf die Regierung auszuüben.
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