Wenn ich mir so ansehe, wie heutige Nachführsysteme zur Ausrichtung der Panels auf die Sonne so aussehen, und wie das konstruktiv gelöst ist, dann krieg ich die Krätze. In diesem neuen Industriezweig spiegelt sich das gesamte Elend wider, an dem die Menscheit zugrunde gehen wird (wenn "WIR" nicht sehr genau aufpassen und gegensteuern).
Für Naturwissenschaftler und Techniker gilt: Wir irren uns langsam nach vorne, das Ganze geht nur stufenweise. Grundlagenforscher entwickeln neue Materialien. Das dauert unnötig lange, weil Forschungsgelder von Bürokraten in weichen Sesseln vergeben werden, und die sind konservativ. "Lieber Herr Geistesblitz, wieso kommen mit ihrer tollen Idee ausgerechnet zu mir? Wenn ihr Projekt wirklich so Avantgarde ist wie Sie behaupten, dann dürfte es für Sie ja einfach sein, Drittmittel einzuwerben. In der Zwischenzeit fördere ich die 4,5-Liter-Verbrenner PKWs."
Endlich sind Solarzellen auf Basis von Perowskitkristallen mit deutlich höherem Wirkungsgrad in nennenswerter Stückzahl verfügbar. Es schlägt die Stunde der Praktiker, vom Dr.Ing. bis zum Hobbytüftler ist jeder Menschenschlag vertreten.
Am schnellsten sind Industriefirmen (der heilige "Mittelstand" deutscher Nation) mit ihren F+E Abteilungen. Nach wenigen Wochen hat ein Projektteam aus einem halben Dutzend Ingenieuren auf dem Papier ein Produkt entwickelt und durchgerechnet. Erdbebensicher und 4 t schwer. Es hat sich auch schon ein Produktdesigner damit befasst und bemängelt, dass die "Lösung" nicht für Linkshänder geeignet ist.
Die Lösung ist ein "Drehmast mit Neige- und Kippvorrichtung, entwickelt von Profis, unter Benutzung bewährter Komponenten aus der Technik der Turmdrehkrane", so ein erster Vorschlag aus der Marketingabteilung für das firmeneinheitliche Wording. Kommentar des CEO als das Projektteam ihm die Lösung vorstellt: "Sehr schön. Sorgen Sie für ein Bestellvolumen von mehr als einer halben Mio. € bei einem Stückpreis von 25.000 € und wir fangen an zu produzieren." Völlig bekloppt, sowas. Es werden 2 Prototypen gebaut, damit interessierte Leute sich schon mal ein erstes Reklamefilmchen auf Youtube angucken können. Bei Sekunde 0:36 im Video deutlich zu sehen: Die Softwareentwickler sind ihr Geld nicht wert.
Es gibt auf dem Papier sogar auch schon Großanlagen für Kraftwerksbetreiber. Blöd ist nur, dass die Marketingleute ganz offensichtlich nicht mit Photoshop umgehen können:
Dann die Bastler: Teilweise richtig pfiffige Leute. Ich ziehe ja meinen Hut vor Menschen wie dem Bastler aus meinem letzten Beitrag. Auch gucke ich sehr gerne Filmclips über amerikanische Rednecks an. Nicht weil bei denen so oft was schiefgeht, aber mir gefällt deren Herangehensweise. Typische Hauruck-Leute, fast wie im Bergbau. Wenn irgendeine Komponente zu schlapp ist, wird die Wandstärke der Metallteile verdoppelt.
Die momentane Situation:
Es gibt noch keinen Massenmarkt für Solartracker, auch im Profibereich wird noch zuviel Schlangenöl verkauft, ernstzunehmende Firmen haben Riesenprobleme ihre Produkte in dem Meer aus Schrott sichtbar zu machen. Und alle kaufbaren Produkte die ich kenne, haben samt und sonders eine gemeinsame Schwachstelle: Die Anfälligkeit gegen Starkwind.
Wovon reden wir hier?
Alle Klimaforscher sind sich einig, dass die Häufigkeit von Extremwetterereignissen zunehmen wird. In meinem Wohnort am Niederrhein kann sich fast jeder Einwohner noch genau an den Sturm KYRILL vom Januar 2007 erinnern. Ein traumatisches Erlebnis für die Region, aber die Daten dieses Sturm sind fast unbrauchbar für Konstrukteure von Solaranlagen. Warum?
Theorie: Die Berechnung von Windlasten.
Angenommen, wir hätten einen vetrauenswürdigen Satz von Messdaten. Für den Flächendruck in Newton pro m² gibt es viele Tabellen, für jede Windgeschwindigkeit mindestens eine. Am oberen Rand der Gesamtfläche zusammengeschraubter Panels ist der Winddruck deutlich wirksamer als am unteren Rand, aufgrund der höheren Hebelwirkung. Das macht eine Berechnung des erforderlichen Gegendrucks durch den Dreh/Schwenkmast schon nicht mehr ganz so trivial für einfache Bastler. Integralrechnung hatte ich beim Abitur auf dem Berlinkolleg erst im letzten Semester.
Für Profis jedoch (Statiker) und ihre Auftraggeber (Architekten) gehören Winddruckberechnungen zum Alltag. Noch ein paar externe Randfaktoren reingerechnet (z.B. den Einfluss der 'Bodenrauhigkeit'), dann haben diese Berufsgruppen einen Zahlenwert, den sie von den Bauämtern genehmigen lassen. Die Firmen haften nur, wenn in der Bauausführung dieser Wert durch Pfusch unterschritten wird. Darüber gibt es nur 'Höhere Gewalt', und die Firmen sind aus der Haftung raus.
Der Schwachpunkt all solcher Berechnungen ist jedoch: Sie berücksichtigen nur eine statische durchschnittliche Windgeschwindigkeit. Viel wichtiger ist jedoch der Böenwinddruck und die durch ihn entstehenden Resonanzbewegungen der Panels und Masten. Solche Resonanzbewegungen sind immer mit Biegewechelspannungen im Material verbunden, sie können die Standfestigkeit eines Mastes drastisch verringern - eine exakte Berechnung ist kaum möglich. Einziger Schutz: Bei Starkwind werden die Panels flachgelegt, also horizontal ausgerichtet.
Zu allerletzt, für Leute die bis hierhin noch nicht eingeschlafen sind, ein extrem wichtiges Papier der Uni Bochum für alle Häuslebauer. Beachtet bitte das Diagramm auf Seite 6 unten zum Thema ---> Wie lasse ich Kyrill verschwinden?
Hier erklärt jemand was Resonanz eigentlich ist (Gymnasiale Oberstufe im Fach Physik)
Und hier ein Film über die Folgen von Resonanzen: Der Einsturz einer Brücke in den USA. Jeder deutsche Ingenieur hat diesen Clip während des Studiums mehrmals bis zum abkotzen gesehen.
Schlussfolgerungen:
Man kann zwar statisch rechnen und erhält einen Zahlenwert. Die staatlichen Genehmigungsbehörden achten darauf, dass für die fertige Konstruktion ein Sicherheitsfaktor von +100% gilt. Das heißt die Konstruktion muss doppelt so hohe Lasten wie berechnet vertragen können, bevor sie versagt. Trotzdem ist das Ganze nur eine Schätzung, weil die real auftretenden Lasten nicht exakt berechnet werden können.
Ausweg Trial and Error. Wie testet man Flächen von über 50 m² gegen Winddrücke? Ich habe keine Ahnung, ob irgendein Windkanal weltweit auf den Test solch großer Flächen ausgelegt ist.
In den Einlasskänälen von Wetterschächten im Bergbau könnte es gehen, dort sind die Querschnitte groß genug. Aber keine einzige produzierende Schachtanlage auf der Welt wird den Rohstoffabbau stoppen, nur damit Komponenten einer Nicht-Bergbau Technologie getestet werden können.
Es bleibt also nur als Ausweg, auch als Profi genauso zu verfahren wie die Hobbytüftler: Erstmal was Kleineres bauen und warten bis es umgepustet wird. Der Nachfolger wird dann stärker und etwas größer gebaut.
Welche Bauweise ist optimal?
Ich habe bisher in vielen Filmchen ausschliesslich eine einzige Bauweise gesehen: Ein um mindestens 180° drehbarer Mast, in Verbindung mit kipp- und neigbaren Panelflächen. Und nun wundere ich mich über die Phantasielosigkeit der 'Kollegen'. Warum kein radikal anderes Design?
Es gibt eine Bauweise, auf die bisher (vielleicht) noch niemand sonst gekommen ist. Weniger Materialeinsatz, weniger Einzelteile, einfacher steuerbar, bei gleichzeitiger Vermeidung von Resonanzen. Realistisch und durchdacht, kein Schlangenöl. Ich hoffe, bis spätestens zum Frühjahr '25 einen Protyp zu testen. Stay tuned.
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Beispiele für heutige 'Lösungen', national und international:
Erdanker ohne Betonfundament. Wie lange soll sowas halten?
Die polnische Lösung wird zumindest nicht beim ersten stärkeren Sturm wegfliegen - sie wird einfach nur umkippen.
Die Russen haben immerhin ein Riesenproblem der Solarmover erkannt und zeigen es im Video: Das Verhalten der Lösung bei einem leichten Sommergewitter Ihr Ausweg: Erstens verfügen die Antriebe über eine Profi-Drehmomentenstütze, und zweitens wiegt ein Mast für eine Panelfläche von 15 Modulen (geschätzt) 20 t, der Transport nach D kostet ein Vermögen.
Eine Schönwetterlösung aus Frankreich
Amerikanische Rednecks bohren Fundamentlöcher, versenken den Mast darin, und füllen das Loch dann mit Bauschaum. Ohne Beton. Leider auch ohne Film.