Gung
Pünktlich um 6 Uhr morgens trat ich meinen Dienst in der Bar an. Es ist ein 24 Stunden Bar mit zwei Schichten von je 12 Stunden.
Hatte schlecht geschlafen, weil ich stocksauer und wütend war. Was für ein Arschloch. Wie konnte er mich nur vor meinen Kolleginnen so im Regen stehen lassen? Ich hatte doch nichts falsch gemacht. Im Gegenteil, hatte mich schon einige Zeit nicht so intensiv um einen Kunden gekümmert.
Hans schlummerte wohl noch tief. Farang bah bah, boh boh. Haben die denn überhaupt keine Ahnung von Frauen?
Ich werde die Farangs nie verstehen. Die sind einfach anders.
Ich interviewte die Nachtschicht, ob sie Hans des nachts in Begleitung am Fahrstuhl gesehen hätten. Nein, hätten sie nicht. Die Fahrstühle sind nämlich von der Bar aus einsehbar. Hans hätte gleich nach meinem Abflug sein Bier ausgetrunken, bezahlt und wäre sofort zum Fahrstuhl gegangen.
Sein Glück. Manchmal, wenn ich mich verarscht oder gekränkt fühle, kann ich zur Furie werden. Dann kann ich mich nicht mehr bremsen. Wenn dann Blut fliesst, ist es mir auch recht.
Langsam kam ich runter, meine Wut liess nicht mehr mein Herz rasen. Schliesslich hatte Hans alleine geschlafen, oder etwa nicht?
Gegen 11 Uhr morgens kam Hans herunter. Alleine. Ich geb's zu. Fünf Stunden lang hatte ich bis dahin den Fahrstuhl beobachtet.
Ich vermied seinen Blick aber Hans sah mich an und sagte: „Good morning, Gung“, setzte sich an die Theke mit Blick zur Strasse und verhielt sich total ruhig. Ich forderte eine andere Bedienung auf, sich um ihn zu kümmern.
Hans orderte ein Frühstück mit Orangensaft und Kaffee. Na, jedenfalls ist er kein Alkoholik, der am Morgen schon Nachschub braucht.
Eine Stunde lang war es die reinste Rumeierei. Ich fühlte, wie er mich beobachtete und ich vermied es, ihn direkt anzuschauen.
Aber ich bin Profi. So konnte es nicht weitergehen. Ein normales Kundenverhältnis war doch wohl drin. Oder soll das etwa drei Wochen so weitergehen?
Wie durch Zufall schlenderte ich an ihm vorbei und fragte: „Hast du gut geschlafen?“
„So lala“ war seine Antwort „und du?“
„Sehr gut, musste heute morgen ja schon um 6 Uhr auf der Matte stehen.“
Hans musterte mich, aber ich setzte meine Null und Nichts Maske auf.
Und dann überraschte mich Hans total. Er machte mir drei Angebote. Zwei davon beinhalteten, was alle Frauen lieben und das dritte war einfach nur nett.
Nämlich, mir ein schickes Kleid zu kaufen, dazu ein paar Schuhe, in denen er mich heute Abend schick ausführen möchte und ich könnte mich ab sofort in seinem Zimmer ausschlafen, wenn ich wolle. Die 300 Baht Auslöse steckte er sogleich wie ganz nebenbei in den Becher.
Ich wurde weich. Ausserdem wird jetzt wohl allen Kolleginnen klar werden, dass Hans mich nicht einfach hat sitzen lassen. Sie würden nun mit eigenen Augen sehen, wie ich mit ihm zusammen zum Fahrstuhl gehe.
Einige hatten mich nämlich vorher gefragt, ob ich ihn schlecht behandelt hätte. Er sei ja schliesslich die Nacht vorher alleine auf's Zimmer gegangen. Ganz zu schweigen von den Lästermäulern unter den Kolleginnen. Man kennt sich und weiss genau, wen man zu den „Freundinnen“ zählen kann und wen nicht. Freundinnen ist allerdings ein grosses Wort. In Wirklichkeit habe ich nur eine und dann noch ein paar, mit denen ich mich locker verstehe. Der Rest tuschelt hinter meinem Rücken.
Ausschliesslich deswegen nahm ich sein Angebot an. Der Gesichtsverlust gegenüber meinen Kolleginnen letzte Nacht war damit getilgt und verflogen. Die Lästermäuler waren erst mal stumm geschaltet. Am liebsten hätte ich denen den Stinkefinger gezeigt. Hab es aber sein lassen.
Mein wirkliches Verhältnis und Gefühl zu Hans waren noch völlig unausgegoren. Noch war er nur ein netter Gast in meiner Bar, den ich näher kennenlernen wollte, aber das war's dann schon.
Eines stand fest. Nach einem neuerlichen gemeinsamen Abend werde ich mich nicht mit ihm spätnachts in meiner Bar niederlassen. Es sei denn, es steht knallhart vorher fest, dass ich mit ihm auf sein Zimmer gehe und dort schlafe. Egal ob Sex oder nicht. Na ja, besser Sex.
Aber jetzt machte ich erst mal „check out“ bei der Mama San. Sie meinte nur „tschok die“, good luck.
Hans und ich gingen gemeinsam unter den Blicken der Kolleginnen zum Fahrstuhl. Anstatt ihnen den Stinkefinger zu zeigen, dacht ich mir nur insgeheim: „Fuck you, Babies!“ Meiner besten Freundin warf ich allerdings siegessicher grinsend eine Kusshand zu.