König Bhumibol lässt Thailand warten
Der Monarch schweigt und enttäuscht die große Hoffnung, er werde einen Ausweg aus der Staatskrise weisen
Singapur - Alles war bereit für den großen Auftritt. Ganz Thailand erwartete am Donnerstagabend des Königs Wort zur Staatskrise, vielleicht sogar eine Wegweisung. Bhumibol Adulyadej, 81 Jahre alt, sollte zur besten Sendezeit im Fernsehen seine traditionelle Geburtstagsrede halten. Doch statt dessen meldete sich im Radio sein Sohn, der Kronprinz, und sagte, der König sei "ein bisschen krank", er habe Halsschmerzen, er werde nicht zur Nation sprechen. Vor einigen Tagen hatte er noch eine Militärparade abgenommen und sich an die Soldaten gewandt. Bhumibol wirkte etwas gebrechlich, seine Stimme war brüchig. Doch die Kraft reichte aus. Und so fragen sich die Thailänder nun hinter vorgehaltener Hand - solche Fragen könnten schließlich gegen das Gesetz zur Majestätsbeleidigung verstoßen - ob der verehrte Monarch nicht reden konnte, oder ob er etwa nicht reden wollte. Noch nicht.
Ein Bangkoker Politologe, der ungenannt bleiben will, sagte, die Unpässlichkeit sei wohl eher taktischer denn gesundheitlicher Natur. Der König wolle zu diesem heiklen Zeitpunkt in der Geschichte seines Landes nicht Partei ergreifen. Andere Stimmen vermuten, das Königshaus sei gespalten. Der Kronprinz, so heißt es, neige eher zum Lager der Rothemden, also der Anhängerschaft des früheren Premierministers Thaksin Shinawatra. Der Königin indes wird ein Faible für die oppositionellen Gelbhemden nachgesagt, die das alte monarchistische und militärische Bangkoker Establishment vertreten. Sie hat vor einigen Wochen an der Beerdigung einer Demonstrantin teilgenommen, die von einer Tränengasgranate der Polizei getötet worden war.
Zögernder Makler
Als konstitutioneller Monarch steht Bhumibol - zumindest der Form nach - über der niederen Alltagspolitik. Bhumibol hat diese Rolle oft selber beschworen, hat oft beteuert, er wolle sich nicht einmischen. Doch in der Praxis ist alles anders. Wenn die politische Konfrontation eskaliert, schaut das Volk reflexartig auf den Monarchen. Und er schreitet in der Regel ein, um zu vermitteln. Die Thailänder erinnern sich an zwei Präzedenzfälle. Beide Male, anlässlich der Studentenaufstände von 1974 und 1992, schaute der König lange zu. Sehr lange. Beide Male waren Hunderte bei Straßenschlachten in Bangkok zwischen den Sicherheitskräften und den Demonstranten umgekommen, bevor er eingriff.
Unvergessen bleibt sein Eingreifen vom 20. Mai 1992. In der Hauptstadt hatten sich Zehntausende zum Protest gegen die Militärregierung versammelt, die durch einen Coup an die Macht gekommen war. Es drohten wieder Schlachten. Da trat der König plötzlich im Fernsehen auf. Das Bild soll körnig und der Ton fast unverständlich gewesen sein, schreibt sein Biograph Paul Handley in "The King never smiles" ("Der König lächelt nie"). Doch die Botschaft der Bilder war unmissverständlich. Neben dem König, der auf einem Stuhl saß, knieten zwei Mitglieder des königlichen Rats. Vor ihnen saßen der Protestführer und der Putschgeneral, unversöhnlich bis dahin, die Beine unter dem Gesäß verstaut. Als beteten sie vor dem König. Bhumibol begann seine Rede so: "Es dürfte Sie nicht überrascht haben, dass ich Sie zu diesem Treffen geladen habe." Am Tag darauf hörte der Protest auf.
Die nun laufende Krise ist noch lange nicht ausgestanden. Am kommenden Montag wollte die Regierungskoalition aus ihren Reihen einen neuen Premierminister bestimmen, nachdem der bisherige Regierungschef, Somchai Wongsawat, am Dienstag wegen Wahlbetrugs vom Verfassungsgericht aus dem Amt verdrängt worden war. Doch nun wurde die Wahl im Parlament abgesagt. Laut Verfassung muss binnen 30 Tagen ein neuer Regierungschef gewählt werden. Es ist fraglich, ob die Gelbhemden von der Volksallianz für Demokratie (PAD) den künftigen Premier akzeptieren werden. Oder ob sie ihre Drohungen wahr machen und erneut die Flughäfen Bangkoks blockieren. Vielleicht bricht er dann sein Schweigen, der unpässliche König.
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