Ich ahne, dass vielleicht noch etwas für ein wirklich ausgelassenes Fest fehlen könnte. In weiser Voraussicht habe ich nicht nur grosse Scheine in der Tasche, lege sozusagen als Vorschuss vier mal zehn Reais auf den Tisch. Die Einladung wird verstanden. Ich selbst bleibe lieber im Haus, auch wenn das Viertel als relativ „tranquilo“ gilt, die letzten Erfahrungen in der Mangueira rauben mir die Lust auf einen Ausflug ins Herz des Slums. Heute ist Freitag und auch hier Baile Funk. Und natürlich patrouliieren auch entlang der Drogbenverkaufspunkte schwerbewaffnete Soldaten.
Camila bleibt bei mir, eindeutig meine Favoritin, eine andere der drei Freundinnen zieht es ebenfalls nicht auf die Strasse. Ich kriege nur noch zwei Namen zusammen, eine heisst Aline, die andere Bruna, wer jetzt aber wer ist, keinen Schimmer. Ich erinnere mich nur deshalb, weil diese Namenskombination schon mal bei einem sensationellen 24-Stunden-Aufenthalt in Curitiba existierte. Vielleicht berichte ich zum Abschluss auch noch von diesem Abenteuer, einer ganz speziellen Städtereise.
Eigentlich würde mir Camila schon genügen, aber es geht ums Prinzip. Ich wollte diese Party und nun steht sie bevor, also muss ich durch. Das endgültige Eis bricht relativ schnell, auch Camila fühlt sich zu mir hingezogen. Ihre Freundin schert sich nicht, als wir sie unten im Wohnbereich alleine zurück lassen. Wir verziehen uns für die erste Runde hoch ins Schlafgemach. Donnerwetter, das ging schnell!
Wir sind gerade beim Doggy, als eines der Mädchen ins Zimmer stürmt. Und schon folgt auch der Rest der Mädchentruppe. Eigentlich Mist, aber auf der anderen Seite ... die Frechste gibt mir einen Klaps auf den Hintern und markiert ZA, ich drehe mich blitzschnell um, packe ihre Haare und fordere sie auf, gefälligst richtig zu agieren. Unter dem Getose der anderen Mädchen führt sie meinen Befehl tatsächlich aus. Die Gruppendynamik greift. Sehr gut und ich gewöhne mich langsam an Zuschauer und deren Geräuschkulissee, konzentriere mich bald wieder unbeeindruckt auf das Mädchen, das vor mir kniet.
Ach, es ist einfach ein schöner, lockerer, unbeschwerter, sehr hemmungsloser und somit ein geiler Event. Kein Vergleich zu den Profieinlagen mit Luana und Marcellinha, aber auch nicht unbedingt schlechter, anders eben, doch wesentlich intensiver, als beispielsweise die Aktion mit den Ghettoschlampen aus der Mangueira, wie hiessen sie noch, Gabriella und Bruna, so nennt sich ja auch eines der gerade anwesenden Mädchen. Die sind allesamt bi und hatten wohl auch schon vergleichbare Festchen mit der Hausherrin gefeiert. Schön asozial das Ganze, aber auch hier steht in erster Linie das Gesamtszenario, die Party an sich im Vordergrund, als einzelne Passagen. Ein Highlight, neben dem ganzen unbeschwerten Spass ohne jegliche Abturner ist eine Situation unten im Wohnzimmer, die ich der guten Ordnung halber auch benenne: In dem Moment, als sich die vier Mädchen ärschchenwackelnd in Doggystellung nebeneinander empfangsbereit auf die bereitgelegte Matratze reihen. Und wenig später dann komplett mit offenen Schnäbeln vor mir knieen. Ziemlich, ja, ziemlich GEIL!
Die Partygesellschaft bleibt nicht die ganze Zeit zusammen, die ein oder andere springt aufgedreht auf die Strasse, einmal muss Nachschub an Kaltgetränken her. Bier ist noch da, aber die Alkopops alle, und der in der Küche vorgefundene Cachaça, Zuckerrohrschnaps, soll durch Limo versüsst werden. Ein anders Mal, viel später, glaube ich schon, die Party ist vorbei, und ich muss mit dem Mädchen Vorlieb nehmen, das gerade auf mir sitzt. Aline oder Bruna, jedenfalls die, mit dem hohen Indianereinschlag, nicht mit der quadratisch wirkenden Körperversion, sondern mit der langgestreckten, gertenschlank, sehr hübschem Gesicht mit Mandelaugen und tollem Haar, einem Rassetypus, den man in Rio selten trifft. Die anderen Drei sind ausgeflogen und lassen sich eine ganze Weile nicht blicken. Die Indianerin hatte eben die ganze Zeit vor und über mir auf Baile Funk getanzt, also für einen unterhaltsamen, aber dringend benötigten Break gesorgt, doch gerade als wir uns wieder mit dem tieferen Kennenlernen beschäftigen wollen, tritt der Rest der Mädchengang ins Haus mit einer weiteren Freundin im Schlepptau: „Ey, SG, wir haben Dir einen Ersatz für Nummer 5 besorgt!“
Tz. Das Mädchen ist schüchtern und ganz offensichtlich noch nicht so zugedröhnt, wie die Kolleginnen. Trotzdem, auf Drängen aller anderen, einschliesslich Aline (oder Bruna), soll auch sie sich sofort um mein Steuerungssystem kümmern. Und, typisch, sie folgt. Halbherzig wird gelutscht, wieder unter tosendem Applaus der Zuschauerinnen. Das war Nummer 5, prima, ich liege im Soll, jetzt kümmere ich mich aber lieber wieder um meine Indianerin.
Und irgendwie so in der Art geht es eben weiter. Bis ich wirklich nicht mehr kann und die Mädchen auch eine Pause wünschen. Oben liegen zwei Mädchen, Camila auf dem Sofa, eine auf der Matratze davor, ich lehne ebenfalls auf dem Boden am Sofa, Mädchen Nummer 5 war nur Gast und ist kurz nach ihrer Mini-Performance verschwunden. Die anderen nannten sie immer nur „Numero cinco“, also Nummer 5. Ich will und könnte wahrscheinlich gar nicht einschlafen, ich bin viel zu aufgedreht. Stattdessen vernichte ich die letzten Biervorräte. Den Kasten habe ich fast ganz alleine getrunken. Da kommt Patricia und stürzt sich, scheinbar ebenfalls auf Droge, gleich zu ihrer Freundin auf den Boden. Mir fehlt zwar das Spielzeug für eine perfekte Lesboshow, trotzdem sind die dargebotenen Leistungen beeindruckend. Ich werde fast neidisch, so ist das (also genau dieses) Mädchen bei meinen Aktionen nicht in Ekstase geraten.
Ohne Patricia hätten wir beinahe das Honorar vergessen, eigentlich Mist, aber ich sehe keinen Grund für Kummer. Mit Camila verabrede ich mich locker, eine Piranha, eine Favelschlampe, wie sie nun mal ist, erlaubt keine langfristige Vorausplanung, ein Date kann nur relativ kurzfristig abgesprochen werden.
Als ich mich endlich im Bus auf der Rückfahrt befinde, mache ich wieder die berühmten drei Kreuze. Puh, graças a Deus, Gott sei Dank, alles ist nahezu perfekt gelaufen. Nur muss ich spätestens jetzt dringend einen AIDS-Test machen. Scheisse, ich bin und bleibe ein Idiot.