Tagestrip nach Amsterdam (Teil 8)
Mittlerweile war es früher Abend, aber immer noch vor der Dämmerung.
Die roten Schaufenster waren noch unbeleuchtet, und es tauchten vermehrt zwielichtige Gestalten auf. In einer Seitengasse mit mehreren Fenstern standen plötzlich ein paar Figuren neben den Fenstern regunglos rum, und warteten darauf angequatscht zu werden. Als Passant wurde man nicht belästigt. Aber wenn ich gewollt hätte, dann hätte ich dort nach weißen Pülverchen fragen können.
Tagsüber war noch kein Schaufensterbusiness, also weder Früh- noch Spätschicht. Erst zur Nachtschicht ging der Schaufensterbetrieb los, ab 20:00 Uhr. Das war neu, und es kann unmöglich am Karfreitag gelegen haben, denn der ist in den Niederlanden ein ganz normaler Werktag. Ab 20:00 Uhr waren die zwielichtigen Gestalten plötzlich verschwunden, und die Beleuchtung der Fenster wurde eingeschaltet, aber noch waren die Vorhänge zu. Insgesamt hat die Zahl der 'Schaufenster' abgenommen, geschätzt ein Drittel weniger als noch vor 5-10 Jahren. Am deutlichsten war das zu sehen an der Anzahl der roten Fenster in den Häusern direkt an den Grachten, in den winzigen Seitengassen eher nicht. Die größte Zusammenballung befindet sich neben der 'Oude Kerk' (Alte Kirche, kann man gar nicht verfehlen). Acht Stück direkt nebeneinander.
Ich glaube nicht, dass es irgendwo sonst auf der Welt eine derartige friedliche Koexistenz von christlichem Himmelreich und Sündenpfuhl gibt, nur ein dutzend Meter voneinander entfernt. Laßt euch nicht täuschen, wenn ihr in den folgenden Google-Bildchen rumklickt. Die roten Fenster sind nicht so zahlreich und allgegenwärtig, wie es den Anschein hat.
Eigene Fotos von den roten Fenstern habe ich nicht, auch das Foto weiter oben ist aus dem Netz geklaut. Vom Bürgersteig aus in die Fenster reinzuknipsen würde ich nicht empfehlen, sowas ist extrem unerwünscht. Man kann nicht nur Ärger mit 'zufällig' herumstehenden Typen kriegen, sondern auch mit der Polizei.
Um 20:00 Uhr wurden einige Vorhänge beiseite gezogen, ein paar Damen zeigten sich, erste Schaulustige blieben stehen. Einerseits ganze Grüppchen, die jemanden aus ihrer Mitte per Mobbing zum vögeln animierten wollten. "Du traust dich doch nicht". "Warum, die ist überhaupt mein Geschmack." "Feigling"! "Ihr wollt doch nur zuhause bei meiner Ollen petzen." Und so weiter, immer dasselbe.
Andererseits einzelne Freier, die einfach nur rumstanden und warteten, dass hinter einem bestimmten Fenster eine bestimmte Lady auftaucht. Entweder Stammfreier, oder sie waren schon an dutzenden Fenstern vorbeigelaufen, hatten sich unterwegs eine Favoritin gemerkt, und bei der Rückkehr war der Vorhang dann zu. Mist, die Dame ist wohl gerade beschäftigt, das heisst eine Viertelstunde warten.
Sowas werden die meisten hier ja auch aus Thailand kennen: Erstmal zögern und eine Bar weiterziehen. dort könnte ja eine noch geilere Braut warten - nur um dann später noch zur Resterampe zu gehen, damit man nicht ungevögelt ins Bett steigen muss.
Nebeneinander liegende Fenster sind untereinander verbunden, die Räume dahinter sind meist winzig, oft passt nur ein Sessel/Barhocker rein. Hinter einem der Mädels geht geht dann eine Treppe nach oben. Zu Beginn des Geschäftsbetriebs kann man eine Amsterdamer Besonderheit beobachten: Das gute und fast freundschaftliche Verhältnis der Damen untereinander. Es sammeln sich Grüppchen von ihnen hinter einem Fenster, alle schon in Berufskleidung, aber erstmal wird Kaffee getrunken und geschwatzt. Es sind fast alles Niederländerinnen, egal wie exotisch sie aussehen. Ich glaube nicht, dass Afrikanerinnen, Asiatinnen, oder Südamerikanerinnen eine echte Chance haben, dort arbeiten zu dürfen. Verständigung auf englisch mit den Mädels ist nur dann möglich, wenn die Dame zufällig englisch gelernt hat, auf niederländisch geht's aber immer. Allerdings sind alle Hautfarben vertreten, stark geschminkt und mit Silikonpolstern und Tatoos.
Nun ist es so, dass bei deutlich mehr als der Hälfte der Fenster der Vorhang zu ist. Dann ist die Dame entweder beschäftigt, oder die Mieterin ist überhaupt nicht zur Arbeit erschienen. Sowas sorgt natürlich für Frust beim Windowshopping. Wenn dann ein Vorhang beiseite gezogen wird kommt es leicht zu Diskussionen. "Verpiss dich, ich warte hier schon länger" --> BÄM --> "Aua!". Die Amsterdamer Polizisten, die dauernd auf Fahrrädern und Quads im Viertel patroullieren, brauchen dann weniger als eine Minute um vor Ort zu sein.
Und wenn man nachfragt: Normalservice ist anblasen (nur mit Gummi) und einlochen mit Stellungswechsel, Zeitdauer genau 20 Minuten. Einheitspreis dafür sind 50 €, verhandeln zwecklos, Spezialitäten auf Anfrage und gegen Aufpreis. Versucht man mit einem flapsigen hölländischen Spruch den Preis zu drücken
"Helas, ik wel toch maar eenen Blowjob an niet het Huis koope" erlischt das Interesse der Dame augenblicklich. Dahinter stecken keine Absprachen von Zuhältergangs, sondern dafür sind die Vermieter (
"Hoerenbaase") verantwortlich, die wollen keinen Zank in ihrem Haus. Vermieter zu sein ist ein ehrenhaftes Gewerbe, das sind keine Zuhälter! Natürlich haben etliche Girls ihre Beschützer, aber die bleiben außen vor. Wer mieten darf, bestimmen nur die Hausbesitzer.
die wollen tatsächlich das gesamte Rotlicht komplett aus dem Zentrum wegkriegen,
Keine Ahnung, wer hier mit 'die' gemeint ist. Jedenfalls geht Amsterdam keinesfalls den Bach runter, das hätte ich gemerkt. Das Rotlichtbusiness ändert sich, aber was ändert sich denn nicht mit der Zeit??? Meinetwegen soll jeder Nostalgiker der Guten Alten Zeit hinterherweinen, das ist mir egal.
Heute wird von der USA massiv der Sex Trade bekämpft, und dabei wird Rotlicht in eine Beziehung zum Menschenhandel gesetzt,
aus diesem Grund fliesst viel Geld von diesen fundamentalistisch-christlichen NGOs aus den USA an Lobbiisten in Europa,
die die legalisierte Prostitution wieder zu einem illegalen Tatbestand machen sollen.
Viele CDU Politiker sind auf diese neue Linie bereits eingeschwenkt.
Und das jetzt ist pure Verschwörungstheorie. Nicht ernstzunehmen. Lächerlich. Natürlich will die Amsterdamer Stadtverwaltung den Red Light District aus der Schmuddelecke herausholen, aber die wahre Ursache für Änderungen im Business dürfte das abnehmende Interesse der Kundschaft für so ein Geschäftsmodell sein. Die Schnellentsaftung im 20-Minuten-Takt, wer will das denn heutzutage noch? Da ist sogar die Kontaktanbahnung per Social Media persönlicher.
Seit ein paar Jahren gibt es eine private Vereinigung von aktiven und ehemaligen Hoeren, Streetworkern und Architekten, um das Business umzugestalten und wieder mehr zu bieten als ein schnelles unpersönliches rein-raus Erlebnis.
boomsteeg.nl
Wenn die Umgestaltung
so aussieht, dann ist das auf jeden Fall besser als die Schmuddelkammern vorher. Und es ist auch besser, wenn jetzt die Amsterdamer Stadtverwaltung darauf achtet, dass die Zuhälter draußen bleiben. Trotzdem bleibt auch damit das 20-Minuten-Business etwas für Schnellficker, für die Duracell-Hasen unter uns. Wer sowas schön findet, der guckt auch jeden Nachmittag und Abend RTL2. Wer aber guten Sex haben haben will ohne die Selbstachtung zu verlieren, der meidet ohnehin die roten Fenster.
Ich geb' es ja zu, auch ich hab schon in solchen Löchern gebumst. Weil es damals billiger war, aber das ist Jahrzehnte her. Diesmal hatte ich kein Interesse. Warum? Wegen der Schnellabfertigung, und weil ich immer Probleme habe im Gummi steif zu werden, wenn mir der sofort zu Anfang drübergezogen wird. Die Damen haben damit ja Routine, zwei Sekunden höchstens und zack, das Ding ist drüber, die Vorhaut sitzt wie festgeklebt und kann sich nicht bewegen. Nö, nix für mich.
Die Attraktivität des Red Light District hängt ja nicht nur an den roten Fenstern, die sind nur ein Faktor unter vielen anderen. Es ist vielmehr die Gesamtmischung aus Fenstern, Liveshows, Toyshops, Koffieshops, Läden für Kifferzubehör, etlichen Museen zum Hoerenbusiness, Hanfmuseen, und dem ganzen Rummel drumherum. Diese Mischung ist weltweit einzigartig, und deshalb sollte man das auchmal selbst erlebt haben.
Ich hatte mir mir aber noch was anderes vorgenommen - darum wird es im nächsten (letzten) Teil des Berichts gehen. Seid gespannt.