Was ich als Laie, der Anzüge im normalen Alltag nicht braucht, wissen würde wollen:
Was ist heute Standard bei Anzügen bzw. Sakkos? 2,3 Knöpfe, hinten offen, Länge, Hemdkragen? Oft werden ja Anzüge angepriesen die mein Opa schon getragen hat vom Schnitt her.
Vielleicht könntest du hier ein wenig ausholen, denn ich stand immer an wenn mich der Inder fragte, was für Kragenstil oder Hemdtasche...
Die Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten. Denn die Mode ändert sich ständig und es kommt immer darauf an, wofür Du das Sakko / Hemd brauchst.
Der Vorteil bei Maßarbeit ist, dass Du Deinen eigenen Stil entwickeln kannst und Dich ein wenig von der Masse abheben kannst.
Aber ich Versuchs mal mit ein paar Tipps diesbezüglich:
Hemden:
Kragenform:
Businesskragen ist Haifisch (also 1 Knopf und der Kragen weit gespreizt). Wenn man oft Krawatten trägt und gerne große Krawattenknoten verwendet (z.B. Doppelter Winsor), dann kann man den Haifisch auch mit zwei Knöpfen nehmen.
(ich lasse alle meine Hemden mit 2 Knöpfen und weit gespreiztem Kragen anfertigen. Teilweise auch ein wenig höher als der Standard)
Man kann den Haifischkragen auch offen tragen - also Knopf auf und keine Krawatte. Gerade die Krawatte ist momentan eher Out.
Man trägt momentan selten wirklich Krawatte im Business. (Außer auf offiziellen Empfängen, Seminare oder hochrangige Meetings).
Du kannst die Krawatte auch durch einen feinen Schal ersetzen.
Allgemein sieht man immer öfters, dass Geschäftsführer keine Krawatten tragen, aber die normalen Angestellten schon. Faustregel ist: Trägt der Chef keine, brauchst Du auch keine.
Als Freizeitkragen ist der "Button Down" immer mehr im kommen. Diesen trägt man natürlich offen und Du kannst im Winter übers Hemd einen V-Pulli tragen (am besten Baumwoll Cashmere Gemisch)
Das sind also die beiden Kragenformen, die ich aktuell nehmen würde. Ich persönlich nehme IMMER den Haifischkragen, da er mir am besten gefällt.
Brusttasche:
Wie überall scheiden sich hier die Geister. Auf ein Businesshemd kommt eigentlich KEINE Brusttasche.
Leider sieht man die Brusttasche immer häufiger... warum auch immer. Ich glaube es kommt vom "Casual Friday" (am Freitag trägt man "Freizeitkleidung im Büro). Dieser Casual Friday wird immer mehr auf die Woche ausgeweitet - dazu nachher beim Sakko mehr.
Knopfleiste:
Aufs Businesshemd gehört eine aufgesetzte Knopfleiste.
Aufs Abendhemd gehört keine aufgesetzte Knopfleiste sondern die "italienische"
In meinen Augen kommt es eher auf die Feinheit des Stoffes an. Je feiner, desto "seltener" eine aufgesetzte Knopfleiste.
Abschluss des Hemd:
Alles was in der Hose getragen wird, nimmt man runden Abschluss, hinten länger als vorne.
Alles was außerhalb der Hose getragen wird (Freizeit) wird eher gerade (oder nur ganz leicht rund) und vorne wie hinten gleich lang hergestellt.
Manschette:
Freizeit und "normales" Business: Sportdoppelmanschette - das sind 2 Knöpfe hintereinander angeordnet. Dabei kann man den vordersten Knopf offen lassen. DAs macht alles ein wenig leger. ACHTUNG: bei Krawatte immer alle Knöpfe an der Manschette schließen.
Die französische Doppel-Manschette (mit Manschettenknöpfen) ist eigentlich out. Wer sie im Business noch trägt ist eher „sehr konservativ“.
Diese gehören maximal zum gehobenen Abendhemd (natürlich in schwarz oder weiß) sowie NATÜRLICH zum Smoking.
Rückenteil:
Dehnungsfalten je nach Körperfülle (bei Dir Fastpage brauchst Du nichts besonders dort)
Aktuell sehr im kommen sind Darts – das sind Abnäher auf dem Rücken rechts und links jeweils ca 1/3 vom Rand weg, längs.
Kurzfassung um auf Nummer sicher zu gehen:
Business mit oder ohne Krawatte:
Kragen: Haifisch
Kragenknöpfe: 1 (bis 2 bei großen Knoten)
Knopfleiste: aufgesetzt
Manschette: Sportdoppelmanschette
Rückenteil: Darts rechts und links bei Geschmack
Abschluß: klassisch rund, hinten länger
Farbe: weiß, hellblau, hellblau gestreift (längs)
Freizeithemd:
Kragen: Button Down (momentan modisch)
Kragenknöpfe: 1
Knopfleiste: aufgesetzt
Manschette: Sportdoppelmanschette
Rückenteil: Darts rechts und links bei Geschmack. Ansonsten Dehnungsfalte
Abschluss: modern gleich hoch
Farbe: weiß, blau (gerne dunkleres), kariert mit mehreren Farben. – Achtung: keine Rosahemden mehr....
Abendgarderobe:
Kragen: Haifisch
Kragenknöpfe: 1-2
Knopfleiste: italienisch (nichtaufgesetzt)
Manschette: bei gehobenen Anlässen französische Manschette mit Manschettenknöpfe
Rückenteil: Darts rechts und links bei Geschmack
Abschluss: klassisch rund, hinten länger
Farbe: weiß oder schwarz
Qualität: sehr hoch. Egyptische Baumwolle oder Sea Island Baumwolle. Mindestens 100/2ply besser 120/2ply oder 140/2ply (ich hab sogar einige 180er 2ply Hemden in schwarz)
Sakko:
Zweireiher sind absolut out !
Momentan „in“ egal ob Freizeit oder Business ist ein Einreiher mit 2 Knöpfen. (man lässt immer den untersten Knopf offen)
Für große Menschen (ab 190cm) ist aber zu empfehlen hier doch 3 Knöpfe zu nehmen. (auch hier lässt man den untersten Knopf offen. Manche sogar den obersten – was ich persönlich nicht schön finde)
Revers:
Klassisch ist ein Absteigendes Revers. Viele „normale“ Anzugträger haben ein absteigendes Revers.
Immer mehr im kommen – es strahlt irgendwie mehr „Power“ und mehr „Geschmack“ aus – ist ein aufsteigendes Revers.
Wenn man nur ab-und zu ein Sakko / Anzug trägt, dann sollte man ein absteigendes Revers nehmen.
Breite des Revers: modern ist ein schlankes, schmales Revers. Wenn man selbst aber größer und breiter ist, dann sollte auch das Revers nicht zu schmal sein. (Fasti: für Dich ein schmales Revers 4,5-5,5cm)
Knopfloch im Revers: ja, 1, linke Seite, echt (also so, dass man etwas reinstecken könnte)
Knöpfe am Ärmel: 4, echt (durchknöpfbar) dabei lässt man den äußersten Knopf offen. Das signalisiert, dass man gute Qualität und Maßarbeit hat.
Taschen: Papseltaschen rechts und links. Dazu Billettasche rechts. Die Taschen gerade (und nicht angeschrägt)
Rückenschlitze:
Aktuell geht man wieder zu 2 Rückenschlitzen über. Allerdings kann man bei sehr schlanken Personen auch nur einen Rückenschlitz machen. Denn das sieht einfach besser aus.
Länge das Sakkos:
Klassisch ist über den Po. Das ist aber nicht mehr aktuell. Modern ist, dass das Sakko auf der Hälfte des Po’s aufhört.
Farbe des Sakkos:
Business: dunkelblau oder dunkelgrau. Gerne mit feinen Linien (Nadelstreifen), KEINE Ellenbogenpatches
Freizeit (kann aber auch im Business mit einem Hemd und Jeans getragen werden):
Dunkelbraun mit „Prince of Wales Checks“ (das sind große Rechtecke, bei braunen Sakkos gerne in dunkelblau). Modern sind hier auch Ellenbogenpatches.
Qualität des Stoffen sollte ein dicker Baumwoll-Cashmere Gemisch sein.
Wichtig: hier einen absteigendes Revers verwenden.
Hier kann man die Taschen (natürlich Papsel und mit Billettasche) auf Wunsch auch leicht anschrägen lassen.
Knöpfe sollten hier dann dunkelbraune Hornknöpfe sein. Metallknöpfe (Gold, Messing womöglich noch mit Anker oder Krone drauf) wie man sie früher noch getragen hat, sind absolut out.
Anzugshose:
Wichtig ist, dass die Hose bis übers Knie innen „ausgekleidet“ ist.
Bundfalten sind out. Also keine Bundfalten
Hintere Hosentaschen, auf beiden Seiten und modern ist ohne Knopf. (klassisch mit Knopf zum verschließen)
Gürtel ja / nein: Freizeit ohne Gürtel, Business mit Gürtel
Umschlag unten: kein Umschlag
Momentan sind die dicken Sakkos mit Prince-of-Wales Checks sehr angesagt. Diese gibt es in vielen Farben – meist hellbraun bis dunkelbraun oder sogar ins Orange gehend.
Sie halten schön warm, sehen gut aus und man kann diese mit einer guten Jeans zu allem tragen. Egal ob geschäftlich im Alltag oder beim Essengehen abends. Auch spazieren gehen mit der frisch angetrauten.
Gerne mit Hemd und V-Pulli.
Nachdem ich das hier alles geschrieben habe, glaube ich, dass ich alles mal bebildern muss. Es sind so viele unterschiedliche Details, die man nur auf Bildern richtig versteht (wenn man sich damit nicht auskennt)
Also werde ich in den nächsten Tagen mir mal einige Bilder aus dem Netz suchen, bzw von meinen Sachen Bilder machen.
Trotzdem hoffe ich, dass ich Deine Fragen einigermaßen beantworten konnte.