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Joe

Thailand Die kleine Mo

Iffi

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18 Oktober 2008
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Thanon Charoen Krung - Chinesische Verwandtschaften

Plötzlich standen wir vor einem kleinen Schrein. Links und rechts von den Figuren hingen chinesische Laternen mit den typisch langen und beschrifteten Fahnen.


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Auf einer Art Altar standen einige Figuren hinter Glas. Bis auf die größte oben in der Mitte stellten sie für mich Buddha dar. Besonders der fettleibige war mir vertraut. Für die Chinesen versinnbildlicht er Wohlstand und Glück. Das war mir bekannt. Lediglich die Figur mit der Krone sagte mir nichts. Stellte sie irgendeinen chinesischen Herrscher dar?

Davor eine große Schale, in der ein paar Räucherstäbchen steckten. Einige schienen gerade heruntergebrannt zu sein und verbreiteten noch den typischen Tempelduft. Auf der linken Seite standen Kisten, ziemlich unspektakulär wurde diese Nische anscheinend auch als Lagerstätte für irgendwelche Utensilien benutzt.


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Sirirat ging sehr zielstrebig vor, kramte in ihrer Handtasche, zückte ein Portemonnaie und steckte einen Schein in einen Spendenkasten, der mit mehreren Vorhängeschlössern gesichert war. Dann öffnete sie eine der länglichen Schachteln, die auf beiden Seiten des Altars lagen, entnahm neun Räucherstäbchen und zündete sie geschickt mit ebenfalls vorhanden Streichhölzern an.

Ich trat etwas zur Seite und schaute Sirirat gebannt zu. Sie ging auf die Knie, hielt die Räucherstäbchen zwischen ihren flachen Händen in Stirnhöhe, neigte leicht ihren Kopf drei mal und hielt dann etwa für eine Minute in Gedanken versunken regungslos inne.

Schon wieder erlebte ich einen intimen Moment mit Sirirat. Zuerst ihre nackte Füße auf dem Gesundheitspfad im Suan Saranrom Park und nun diesen Moment ihrer Andacht, bei dem ich mir etwas deplatziert und als Eindringling vorkam.

Sirirat erhob sich, steckte die Räucherstäbchen in die mit fester Asche gefüllten Schale und entschuldigte sich schon wieder bei mir. Dieses mal wegen ihrer einsamen Handlung und nicht wegen irgendeiner Fußmassage auf einem Steinpfad.

Wir wollten gerade zur Thanon Charoen Krung zurückkehren, als ich eine fröhliche Stimme hinter uns hörte: „Sawat di, nong Mo, bei nei?“ „Guten Tag Schwesterchen Mo, wohin gehst du?“

Soweit reichte mein Thai schon. Es ist eine oft gehörte Begrüßungsformel. bei nei bedeutet zwar: „wohin gehst du?“, aber es wird keine ausführliche Antwort erwartet. Standard Antwort ist oft: „bei tiau“, „gehe spazieren“.

Ähnlich wie im englischen „how are you?“, wobei auch keine langatmige Gesundheitsgeschichte des Angesprochenen befürchtet wird, außer vielleicht von einem Deutschen, der nach dieser simplen Begrüßungsformel sein ganzes leben erzählt. Eine Antwort: „fine, thank you“ reicht da nämlich voll hin.

Eine ältere Dame fasste Sirirat freudig mit beiden Händen an ihren rechten Unterarm und streichelte sie dabei ein wenig. Hatte sie etwa „Mo“ zu Sirirat gesagt? Der Name war mir inzwischen durch ihre Erzählungen zur Genüge bekannt.

Sirirat schien auch sehr glücklich über diese Begegnung zu sein. „Sawat di, pa Pum, khun sabeidi....?“ Guten Tag, Tante Pum, wie geht es dir?

Mehr Worten konnte ich nicht folgen. Beide schienen sich sehr gut zu kennen und ein sehr herzliches Verhältnis miteinander zu haben. Nach nur wenigen Sätzen stellte mich Sirirat vor.

„Dies ist khun Hermann, ein guter Freund meines Vaters. Der hat mir aufgetragen, ihm unsere Heimat etwas näher zu bringen.“

Und an mich gerichtet: „Das ist Pa Pum, meine Lieblingstante. Sie hat mich früher immer mit Süßigkeiten, meinem geliebten kanom, versorgt.“

Mo, kanom, Pa Pum...mir kam das alles sehr bekannt vor. Hatte mir Sirirat dies alles nicht auf dem Wege bis hierhin erzählt? War diese Geschichte über Mo auf Koh Kret nicht schon über 200 Jahre alt?

Bin ich etwa in eine Zeitschleife geraten, die vor mehr als 200 Jahre vorher begann? Ist Zeit nur eine Illusion? Womöglich würde mich gleich diese Gasse verschlingen und mich für Jahrhunderte in die Anfangszeiten dieser Familie entführen?

Nachdem wir uns von Tante Pum verabschiedet hatten, stellte sich heraus, dass dies der Hausschrein eines Teiles von Sirirats Familie ist. Ihre Ur-Großmutter väterlicherseits lebte einst dort und als Kind hatte Sirirat sie oft besucht und in dieser Gasse und den Schleichwegen bis hin zur Thanon Yaowarat gespielt.

Auch eine kleinere Figur in diesem Schrein offenbarte ihr Geheimnis. Diese sei ein Bodhisattva, ein Heiliger und Erleuchteter im Mahayana-Buddhismus, der den leidenden Menschen hilfsbereit zur Seite steht, damit auch sie in den erlösenden Genuss der Erkenntnis kommen. Er verzichtet damit auf das Nirvana, die endgültige Auslöschung seiner selbst und wird wiedergeboren werden.


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„Diese Richtung des Buddhismus haben die chinesischen Einwanderer mitgebracht. Sie ist weitaus bunter als die traditionelle Thai-Richtung.

Wir folgen dem Theravada-Buddhismus, dem Weg der Älteren.

Ich langweile sie, ja?“ schloss Sirirat ihren Kurzvortrag ab.

„Ich könnte ihnen stundenlang zuhören. Alleine hätte ich diese Gasse wohl übersehen und nie erfahren, was es mit diesem Schrein auf sich hat. Ich bin absolut begeistert von ihrem charmanten und informativen Vortrag.“

Auf Sirirats Stirn stand bag wahn, (Süssholz raspeln), geschrieben, aber sie bedankte sich höflich lächelnd mit einem Anflug von Schelm:

„kop khun ka.“

Ich nahm mir vor, meine Komplimente etwas rationaler zu verkleiden. Aber geht das überhaupt?

Auf unserem weiteren Wege behielt die Strasse ihr chinesisches Flair noch eine Weile. Wir befanden uns nämlich am Rande von China Town, wie Sirirat mir erklärte. Die Thanon Charoen Krung ist hier recht eng, schattig und eine Einbahnstrasse. Und dann wird der Blick auf einen Platz frei, dessen Mitte mit einem großen chinesisch anmutendem Tor geschmückt ist...


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joleg

irtigfe pfidere
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Auf einer Art Altar standen einige Figuren hinter Glas.

Zuerst; ein fettes Dankeschön @Iffi für die kurzweilige & interessante Erzählung!...macht richtig Spass zu lesen;
und zusätzlich noch etwas den Horizont zu erweitern.

Weisst du vielleicht, wieso bei Chinesischen Tempel vielfach die Figuren hinter Glas sind?
Unweit der Charoen Krung Road steht z.B der Wat Mangkon Kamalawat...
28104447ro.jpg
 
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Whitworth

i have sex daily! i mean, dyslexia! fcuk!
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28 Mai 2015
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Dank dir und deiner wunderbaren Art zu schreiben werde ich Bangkok in Zukunft mit ganz anderen Augen sehen.
 
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Iffi

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Weisst du vielleicht, wieso bei Chinesischen Tempel vielfach die Figuren hinter Glas sind?
Unweit der Charoen Krung Road steht z.B der Wat Mangkon Kamalawat...
Anhang anzeigen 1254327

Diese Frage habe ich mir noch nie gestellt. Deine Frage hat mich allerdings angeregt, darüber nachzudenken. Denn wenn ich so an meine unzähligen Besuche in chinesischen Tempel nachdenke, dann kann ich mich jetzt auch daran erinnern, dass oft, aber nicht immer, viele Figuren hinter Glas waren.

Ich könnte mir vorstellen, das dies der Diebstahlsicherung dient. Und zwar aus einem einfachen Grunde. chinesische Tempel sind ja keine Klöster so wie die Buddhistischen. In letzteren wohnen ja auch Mönche. Sind also immer Leute da. Habe in chinesischen Tempeln noch nie Mönche gesehen, welcher Art auch immer, die dort wohnen.

Buddhistische Mönche schon. Aber die sind lediglich Besucher.

Mehr als einen zivilen Hausmeister gibt es dort meist nicht.

Dies alles ist aber nur Vermutung. Gibt vielleicht auch ganz andere Gründe.
 

joleg

irtigfe pfidere
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ja @Iffi das könnte durchaus eine Möglickeit sein, wieso ein Glas"schutz" vorhanden ist.
 
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Iffi

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Thanon Charoen Krung - Lunch

„Haben Sie Hunger?“ fragte Sirirat fürsorglich. „Wollen Sie etwas essen?“

Ich nahm dieses Angebot gerne an. Wie aufmerksam Sirirat doch war.

„Wir könnten in ein gutes Restaurant gehen, oder....“ sagte ich.


***

Erst später lernte ich, dass wenn eine Thaifrau ihre Begleitung fragt, ob die oder der Hunger hätte, sie eigentlich damit sagen will:

„Ich bin verdammt hungrig und muss sofort etwas essen, sonst werde ich stinksauer“

Wer schon einmal eine über längere Zeit hungrige Thai erlebt hat, weiss sicher, wie unausstehlich sie dann werden kann. lol

Ihre anerzogene Thaimentalität verbietet es ihr aber, ganz direkt auf ihren Hunger hinzuweisen. Deswegen die indirekte Frage an die Begleitung, ob er denn hungrig sei. Aber Vorsicht. Eine Verneinung auf diese Frage kann ungeahnte Reaktionen ihrerseits hervorrufen.

***


Sirirat deutete auf ein kleines chinesisches Restaurant, eigentlich mehr eine Imbissstube, gleich vor uns. Auch davor an der Strasse wurden Speisen angeboten. „Geht das? Ist sehr lecker dort.“ sagte sie.


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„Warum nicht?“ erwiderte ich. „Würde mir sogar Spaß machen, hier etwas zu essen. Ich komme ja sonst nicht dazu, in typisch einheimischen Gaststädten zu speisen. Außerdem weiß ich, dass ich mich auf ihr Urteil verlassen kann.“ antwortete ich mit leichtem Zweifel, ob dies wohl schon wieder zu viel bag wahn war. Sirirat schien aber einfach nur erleichtert zu sein.

Wir setzten uns an einen Tisch. Sirirat wollte eine Nudelsuppe essen, ich bestellte, nachdem sie mich vorher gefragt hatte, Ente süß sauer mit Reis. Für mich war das einfach typisch chinesisch.


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„Ich bin ganz gerührt, Mr. Löwe“, sagte sie nach einer Weile.

Ich sah nur noch sie, wie sie am Tisch saß, mich mit ihren dunklen Augen anblickte. Ich hatte das Gefühl, nun sei ich der alte Mann, der sich vorher mit dem Malen von Schriftzeichen auf dem Bürgersteig beschäftigte ohne darauf zu achten, was um ihn herum vorging. Aber ich las oder malte keine Schriftzeichen, sondern versuchte die Gedanken dieser Frau zu entschlüsseln.


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„Das ehrt mich“ sagte ich. „Ich meine…“ Ich versuchte, meine Worte vorsichtig abzuwägen: „Ich hatte schon ein schlechtes Gewissen, weil ihr verehrter Vater die treibende Kraft für unseren gemeinsamen Ausflug war?“

„Ich bin einfach nur froh, dass sie meine Gedanken so aufmerksam mit mir teilen. Kop Khun Ka, Khun Hermann“ erwiderte Sirirat.
 

Iffi

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Thanon Charoen Krung - Lunch Gespräche

Das Essen wurde serviert. Zusätzlich zu dem, was ich während der Bestellung verstanden hatte, gab es auf einem Teller eine kleine Auswahl diverser Teigtaschen mit geheimnisvollem Inhalt. Dazu verschiedenfarbige Soßen in winzigen Schalen.


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Es dauerte einen Moment, bis wir weitersprachen.

„Und überhaupt. Sie haben so viel Geduld mit mir und zeigen solch eine Anteilnahme an den Geschichten meiner Ahnen und meiner Stadt“, ergänzte Sirirat schließlich.

„Danke. Das fällt mir leicht. Besonders beeindruckt bin ich von der kleinen Mo. Sie scheint ja in ihrer Familie eine besondere Rolle zu spielen.“

„Für uns ist sie die große Mo. Ihr verdanken wir vieles. Die schriftlichen Erinnerungen an alte bewegte Zeiten, die über Generationen fortgesetzt wurden. Ihre Fürsorge für ihre Kinder und Enkelkinder, deren gute Erziehung und Bildung schließlich unserer Familie Wohlstand und Respekt verschafften.“

Sirirats Erzählungen über Mo waren zwar bisher etwas lückenhaft, aber ich ahnte so etwas ähnliches schon.

„Außerdem hilft sie mir, mich auf bescheidenere Zeiten zu besinnen. Als der Komfort noch nicht so überschwänglich wie heutzutage war und jeder Fortschritt hart erarbeitet werden musste. Ihr Vertrauen und ihre Zuneigung zu ihrem Vater, durch die sie ihren Trennungsschmerz überwand, als sie von Ko Kret nach Bangkok umzogen. Auch ich liebe meinen Vater über alles und möchte ihn auf keinen Fall enttäuschen oder gar wehtun…“

Sirirat sog nachdenklich und ernst am Strohalm in ihrem Eiskaffee.


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Sie sah dabei sehr traurig aus. Irgendetwas lastete auf ihr. Ohne auf ihre letzte Bemerkung einzugehen, nippte ich an meinem Nam Som Kann, frisch gepresster Orangensaft.


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Als ich mein Glas absetzte, verbreitete sich ein Grinsen in Sirirats Gesicht, dass sich zu einem Lachen steigerte. Sie schien wie ausgewechselt.

„Wissen sie was, Khun Hermann? Eigentlich sollte ich als Frau den nam som kann trinken und sie als Mann den gaffäh yen, Eiskaffee. Wenn ein Pärchen zusammensitzt, darf eigentlich nur das Mädchen Softdrinks wie z.B. Orangensaft trinken. Ein Thaimann, der etwas auf sich hält, würde das nie in der Öffentlichkeit tun. Besonders dann nicht, wenn SIE Eiskaffee trinkt. Ihm als Mann ist nämlich das stärkere Getränk vorbehalten“

Aha. Ich werde in Zukunft darauf achten, immer das stärkere Getränk in Gegenwart einer Dame zu bestellen, nahm ich mir vor und musste selber lachen. Sirirat kicherte noch ein paar mal während des Essens in sich hinein. Ich war froh, dass sie ihre vermeintliche Traurigkeit wieder abgelegt hatte.

Sirirat rief nach der Bedienung wegen der Rechnung. Ich griff automatisch nach meiner Brieftasche.

„Das übernehme ich“ sagte Sirirat „Ich habe ja schließlich den Eiskaffee getrunken und sie den Orangensaft.“

Gegen solch ein Argument war ich machtlos.

Nachdem wir das unscheinbare Restaurant verlassen hatten, waren es weniger als 10 Minuten zu Fuß zum Abschnitt der Charoen Krung, der im 19. Jahrhundert von den Europäern geprägt wurde. Schon bald sollten wir eine dritte Brücke überqueren, die Saphan Phitaya Sathira über den Khlong Phadung Krung Kasem…dem „Kanal, der um die Stadt führt“.
 

Iffi

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Thanon Charoen Krung - Singha

Aber vorher hielten wir uns noch gleich am Kreisel mit dem chinesisch anmutendem Torbogen auf.

„Das ist der Odeon Kreisel und das Tor wird „Tor zu china Town“ genannt. An dieser Stelle treffen die Thanon charoen Krung und die Hauptstrasse von China Town, Thanon Yaowarat genannt, zusammen.“ erklärte Sirirat, wieder ganz die Touristen-Führerin.


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Sehen sie das Wat dort drüben? Es ist das Wat Traimit mit dem berühmten goldenen Buddha, und das werden wir jetzt besuchen, falls es ihnen nichts ausmacht.“

„Werde es mir gerne mal näher anschauen.“ erwiderte ich, denn es das Gebäude sticht hier vom Odeon Kreisel sehr ins Auge.


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Wir spazierten über das Wat Gelände. Vom goldenen Buddha keine Spur. Wir unterhielten uns viel und ich meinte, dass es sehr schade wäre, da ich morgen schon geschäftlich nach Singapur fliegen würde, und ich viel lieber in ihrer Begleitung die Stadt weiter entdecken würde. Am liebsten noch wochenlang.

Sirirat schaute mich mit undefinierbarem Blick an, ging aber nicht weiter auf meine Bemerkung ein und fragte mich stattdessen, ob mein Familienname „Löwel“ eine Bedeutung hätte.

Ich wusste nur, dass dies ein Name mit Ursprung in Deutschland ist, wo dieser Name schon seit Jahrhunderten existiert. Trotz Recherchen innerhalb meiner Familie fanden wir nie eine tiefergehende Erklärung für irgendeine Bedeutung dieses Namens, ausser dass ein Löwel jemand mit der Natur eines Löwen ist.

Wegen seiner Ähnlichkeit mit „Löwe“ gab ich Sirirat eine vereinfachte Antwort.

„Mein Familienname bedeutet „lion“, Löwe auf Deutsch.“

„Du fliegst also morgen in deine Heimatstadt.“ meinte Sirirat grinsend.

„Wie bitte?“. Ich verstand nur Bahnhof. Sirirat hatte ihren Spass.

„Hast du schon mal Singha Bier getrunken und auf das Etikett der Flasche geachtet?“ antwortete Sirirat sichtlich gespannt auf meine Reaktion.

Ja, der stilisiert Löwe war mir schon öfter aufgefallen…


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…und das Wahrzeichen von Singapur ist der wasserspeiende Löwe, wie ich wusste.



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Bei mir fiel der Groschen.

Singapur bedeute also Löwenstadt?“ erwiderte ich stolz wg. meiner Erkenntnis.

„Genau, Herr Löwel. Ich wünsche ihnen einen angenehmen Aufenthalt morgen in ihrer Heimat.“ antwortete Sirirat, offensichtlich belustigt über ihr Rätsel, welches sie mir anfangs aufgetischt hatte.

Ich dachte nur, welch hübsche, charmante, amüsante, kurzweilige und interessante Frau. Und ich bin augenblicklich derjenige an ihrer Seite. Dass ich schon nach drei Tagen nach Bangkok zurückkehren würde, behielt ich für mich. Ich hoffte inbrünstig, dass ich sie wiedersehen würde.
 

Iffi

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Thanon Charoen Krung - Stöckchen rütteln

Sirirat
steuerte einen unscheinbaren Ort auf dem Wat Gelände an. Hier klapperte es hölzern unaufhörlich.

Sirirat nahm einen Becher, in dem sich etwa 30 aus Holz gefertigte Stäbe befanden, die wie Essstäbchen aussahen. Sirirat kniete sich wieder vor den Altar, nahm den Becher ähnlich wie die Räucherstäbchen in beide Hände, sprach offensichtlich ein kurzes Gebet und begann dann, den Köcher vertikal zu schütteln. Die Holzstäbe klapperten laut.


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Sie schüttelte so lange, bis eines der Stäbchen sich von den anderen trennt, sich nach oben schob und schliesslich aus dem Köcher flog. Sie nahm und studierte es eingehend, merkte sich die Nummer auf dem Stäbchen, steckte das Stäbchen in den Köcher zurück und ging dann zu einem Regal mit mehreren Fächern. An jedem Fach war eine Nummer angebracht, darin lagen Zettel.


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Sie suchte das Fach, dessen Nummer mit der auf dem Holzstäbchen identisch war, nahm dort einen Zettel heraus und las ihn. Danach setzte sie sich neben mich und lächelte mich an.

„Gute Nachrichten“ fragte ich?

Das Stäbchenschütteln hatte ich schon ein paar mal beobachtet. Man betete, danach wurden die Stäbchen geschüttelt, bis eines herausfiel, und das wurde dann als göttlichen Wink verstanden, der die Zukunft voraussagte. Denn nichts anderes stand verklausuliert auf diesen Zettelchen.

Sirirat drückte mir den Zettel in die Hand. Dort stand offenbar auf drei Sprachen – Chinesisch, Thai und Englisch dieselbe Botschaft. Der englische Text war allein von seiner grammatikalischen Formulierung her interpretationsfähig.

Sie setzte sich neben mich. Dabei lächelte sie noch mehr als sonst.

Es fiel mir schwer, mich von ihren Augen abzuwenden und auf den Zettel zu blicken.

Auf dem Zettel stand übersetzt unter anderem typisch wie, dass die Zukunft rosig aussähe, ein rätselhafter Spruch: „Es liegt in der Natur eines Löwen, des öfteren an seinen Ursprungsort zurückzukehren, aber er kehrt immer wieder zu seinen geliebten Löwinnen zurück.

„Was bedeutet das?“ fragte ich etwas hilflos. „Ist das ein Thailändisches Sprichwort?“

„Das heißt, daß eine weite Reise bevorsteht. Und daß…“ Sie verstummte.

„Fährst du denn weg?“ fragte ich

„mai chai ka.“

„Dann kann das doch gar nicht stimmen.“ Ich fühlte mich in meiner Meinung bestätigt, daß das alles nur Firlefanz und Aberglaube war und die Erwähnung von einem Löwen reiner Zufall war. Natürlich hütete ich mich davor, diese Meinung laut zu äußern.

„Mai chai, ka.“, nein.

Dieses Wort in der Thaisprache war mir schon früher aufgefallen, als ich nach dem Wort "nein" auf Thai suchte. Das gibt es nämlich nicht, so viel ich weiss. "mai chai" bedeutet nichts anderes als "nicht ja"

„Ich verstehe nicht.“

Sirirat griff nach meiner Hand und sah mich an. „Die Reise hat zwar mit mir zu tun, aber es fährt jemand anderes weg, den ich … gerne..,äh kenne.“

Ich: „Ach so. Wird denn er oder sie wieder zurückkehren?“

Sirirat: „Ja. Das steht im zweiten Teil der Botschaft.“

„Das ist gelinde gesagt interpretationsfähig“, dachte ich mir, ohne es auszusprechen.

„Komm, laß uns etwas spazieren, ja?“, sagte Sirirat und stand auf.
 

Iffi

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Thanon Charoen Krung - Der Goldenen Buddha

Wir gingen durch die Tempelanlage, besuchten auch den goldenen Buddha im Hauptgebäude, aber nicht ohne vorher die Ausstellung von allerlei Kunstgegenständen zu besuchen. Auch die Geschichte des goldenen Buddhas wurde bildhaft erklärt. Sirirat ergänzte, wenn mir etwas unklar blieb.


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Demnach war die Buddha-Figur jahrhundertelang unter einer Art Zement versteckt. Man erkannte zwar Buddha, aber künstlerisch wertvoll sah sie nicht gerade in ihrer Hülle aus und wurde einfach vergessen.

„Sie befand sich lange Zeit in einem längst verlassenen Wat in einem Schuppen ganz in der Nähe vom Oriental Hotel, dort wo jetzt die Maria Himmelfahrt Kirche und das EAc Gebäude stehen. Vor der endgültigen Auflösung des uralten Wat-Geländes wurde die Figur hierhin verfrachtet, wo sie auch wieder in einem Schuppen vor sich hinfristete. Erst als der Haupttempel des Wat Traimit gebaut wurde, beschloss man die Figur auch dort unterzubringen.“

Um Sirirat’s Erzählung kurz zu machen, die schwere Figur wurde mit einem Kran bewegt, löste sich vom Haken, fiel herunter und ihre Umhüllung platzte teilweise auf. Zum Vorschein kam pures Gold.


Zementreste der Umhüllung

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Ich bekam meinen Philosophischen und sagte: „Ist ja wie im wirklichen Leben, wenn es um Personen geht. Der äussere Schein kann trügen. Erst wenn das Innerste zum Vorschein kommt, offenbart es entweder etwas sehr schönes und wertvolles wie in diesem Falle oder es trifft das Gegenteil ein und die unschönen Abgründe des jeweiligen Menschen werden sichtbar.“

Sirirat erstarrte und schaute mir stumm direkt in die Augen. Ich fühlte, das irgendetwas sie getroffen hatte und in ihrem Hirn arbeitete. Aber was?

Und dann sprudelte es nur so aus ihr heraus: „Vor einem Jahr hatte ich mich in einen jungen Mann verliebt. Mein Vater war nicht gegen die Beziehung. Zumindest nicht zuerst. Aber mein Freund, wenn man das so formulieren will, hat es wohl nicht ganz ernst gemeint mit mir. Er hat mir viel versprochen, aber nichts gehalten. Ich habe sehr gelitten. Ich dachte, wir würden uns bald verloben. Als es ernster wurde hat er sich bei meiner Familie vorgestellt und quasi den Segen meines Vaters erhalten.“

Ich unterbrach Sirirat nicht, die fortfuhr.

„Durch Zufall bekam ich heraus, daß er gleichzeitig eine andere hatte. Ihr versprach er dieselben Sachen wie mir. Du kannst dir sicherlich vorstellen, wie ich mich gefühlt habe. Als ich ihn zur Rede stellte und ihm sagte, er müsse sich entscheiden…“

„Da hat er sich nicht für Sie entschieden“, vollendete ich den Satz und bereute es sofort, weil das viel zu direkt war. Sirirat nickte aber nur.

„Mein Vater wollte mich mit dieser „Stadtführung“ einfach auf andere Gedanken bringen. Er liebt mich über alles, schließlich bin ich seine einzige Tochter, die das Erbe von der kleinen Mo weiterführt. Es bricht ihm das Herz, mit ansehen zu müssen, wenn ich traurig bin.“

Ich hatte geahnt, daß das alles, auch ihre nur kurz anhaltende Traurigkeit im Restaurant vorher, einen Hintergrund hatte.

Doch damit hatte ich mit Sicherheit nicht gerechnet.

Kann aber ich nicht sagen, daß ich mich von ihrem Vater benutzt fühlte, denn ich genoß die Zeit, die ich mit Sirirat verbrachte. Sagte es ihr auch, doch mehr hätte ich mit Sicherheit niemals zugegeben, nicht einmal gegenüber mir selbst…

Wir begaben uns ins Royal Orchid Sheraton Hotel. Von dort rief Sirirat ihren Neffen an. Er möge uns doch bitte dort abholen. Bei Kaffee und Kuchen, für mich ergänzt durch einen Brandy, ging unser gemeinsamer Tag zu Ende. Mit dem Brandy war ich mir sicher, das stärkere Getränk als meine weibliche Begleitung zu trinken.


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Sirirat vor ihrem Eiskaffee meinte amüsiert, als mein Getränk serviert wurde: „Sie lernen schnell, wie ich sehe.“

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Ihr Neffe parkte vor dem Hotel und empfing uns. Sirirat deutete auf ein altes fast heruntergekommenes Gebäude gleich gegenüber vom Haupteingang des Hotels und meinte nur: „Dort residierte einmal der erste und bisher einzige westliche Ausländer in unserer Familie. Steigen wir ein. Die Geschichte ist schnell auf dem Wege zum Oriental Hotel erzählt.“

Ich registrierte wohlwollend, dass sie das Wort „Farang“ vermied. Habe es zwar auf der Strasse und Öffentlichkeit oft genug gehört und wusste, was es bedeutet, aber in meinen gehobenen Thailändischen Geschäfts- und Bekanntenkreisen wurde es nie benutzt. Das hätte sich nämlich mir gegenüber nicht gehört und wurde ausserdem als primitiv empfunden.

Thailand ist immer noch eine Klassengesellschaft, die sich durch Sprache unterscheidet. Ein Thai kann anhand der Sprache sofort erkennen, zu welcher sozialen und Bildungs-Schicht jemand gehört.

Es gibt deren 5 Sprachstufen, wobei die 1. und unterste oft sehr geringschätzig als „Büffelsprache“ bezeichnet wird. „Kwai“, Büffel, ist ein Schimpfwort in Thailand. Die 5. und höchste Sprachstufe ist die der Royals.

Im Auto erzählte mir Sirirat dann die Geschichte über John Bush. Eine Brite im Dienste von König Monkut, Rama IV und König chulalonkorn, Rama V
 

Iffi

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Thanon Charoen Krung - Admiral John Bush

Sirirat begann im Auto zu erzählen: „Meine Grossmutter, ebenfalls mit dem Rufnamen Mo, erzählte mir einmal, dass in diesem Haus eine entfernte Verwandte von uns wohnte. Und zwar verheiratet mit einem gewissen John Bush, der es bis zum Hafenmeister und sogar zum Admiral im königlichen Flotten-Dienst gebracht hatte.

Er kam 1855 als Kapitän zusammen mit seiner Frau nach Bangkok und blieb dort bis an sein Lebensende. Seine Karriere war steil und er war im Königshaus sehr geschätzt. Das Land, wo dieses Haus steht, wurde ihm privat überlassen und zwar bis zum Flussufer. Heute steht da seit Anfang der 1980er das Royal Orchid Sheraton.


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Dass in solch einer teuren Gegend dieses alte verfallene Haus nie abgerissen und der Grund nie anderweitig verwendet wurde, liegt daran, dass es unter der Obhut des Crown Property Bureau’s steht.“

Dieses Bureau kannte ich durch meine geschäftlichen Kontakte in Thailand. Es verwaltet das Vermögen der Königsfamilie und investiert in Properties und Geschäftsunternehmen. Der Vermögensumfang ist gigantisch und wird auf viele Milliarden Dollars geschätzt.

„Interessant. Sie haben vermutlich einen besonderen Grund, warum sie mir das erzählen? Dieser John Bush scheint ja ein echt angesehener Mann im Königshaus gewesen zu sein.“ meinte ich gespannt.

Und Sirirat fuhr fort: „Ja, aber das ist nicht der Grund, warum ich ihn so ausführlich erwähne. Es hat mit meiner Familie zu tun.“

Jetzt wurde ich hellhörig. Hatte Sirirat etwa auch westliche Verwandte? Wenn auch schon lange zurückliegend?

Meine Vermutung wurde sogleich bestätigt.

„John Bush heiratete eine Mon, nachdem seine erste Frau schon nach einem Jahr in Bangkok an einer Tropenkrankheit verstarb. Sie war eine Verwandte von Pa Pum, der „Kanom“ Tante von der „Kleinen Mo“ auf Koh Kret. Ihr Name war Mae Plian und sie arbeitete als eine der Bediensteten am Königshofe von König Monkut, Rama IV. Wäre nicht verwunderlich, falls John ihr dort begegnet ist und den König um ihre Hand angehalten hat, denn sie soll sehr sehr hübsch mit hervorragenden Umgangsformen gewesen sein. Auch durfte sie manchmal am Englischunterricht teilnehmen. König Monkut legte nämlich sehr viel Wert auf das Erlernen von westlichen Fremdsprachen. Besonders unter seinen Kindern. Einige seiner Bediensteten kamen auch in den Genuss.“

„Wow“ entfuhr es mir. „Ihr blickt ja wirklich auf eine sehr interessante Familiengeschichte zurück.

„Ob John in den damals sehr konservativen Siam-Kreisen eine Siamesin hätte heirate können, ist ziemlich unwahrscheinlich. Das war bei uns Mon anders. Wir waren schon immer offener für westliche Ausländer.“ meinte Sirirat schelmisch grinsend und tätschelte ironisch meine Hand.

„Nebenbei, wussten sie eigentlich, dass unser geliebter König, chulalonkorn, Rama V, auch eine Mon-Mutter hatte? Seine Mutter, die zweite Ehefrau seines Vaters, König Monkut, Rama IV, war nämlich eine Mon.“

Langsam wuchs meine Hochachtung vor den Mon.

Wir hielten auf der Soi 40 nahe am Oriental Hotel an. Es war ein Abschied, denn morgen würde ich nach Singapur fliegen.

„Es gäbe noch viel mehr über John Bush, seine Mon Frau und deren gemeinsame Kinder zu erzählen…vielleicht beim nächsten mal?“ sagte Sirirat hoffnungsvoll.

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„Ganz sicher“ entfuhr es mir. „Ganz bestimmt sogar“ ergänzte ich.

Sirirat gab mir ihre Hand und wünschte mir eine gute Reise. Gedankenversunken und voller verwirrender Gefühle betrat ich das Oriental Hotel. Meine Welt hatte sich verändert. In wieweit, wusste ich damals noch nicht…
 
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samui

Ubon Ratchathani
   Autor
1 Februar 2009
3.994
23.002
4.465
Servus @Iffi

abgesehen von den "Button-Danke's" einmal auch ein Kompliment an dich.

Bist du doch einer der wenigen, die schöne Geschichten haben und diese auch toll erzählen können :daumen
Ein Wohltat in dieser Zeit der Preisexplosionen, Saufgelage und Besserwissereien :weinen

Bin hier und bei deinen anderen Threads weiter dabei
:hut
 
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Iffi

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Mo – Vorläufiger Abschied

Am frühen Abend setzte mich auf die Oriental Terrasse direkt am Fluss. Es begann bereits zu dämmern, die Sonne versteckte sich hinter dem anderen Ufer und die Lichter des nächtlichen Bangkoks und der Boote tanzten auf den leichten Wellen. Die Hitze des Tages wich einer leicht kühlenden Brise.


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Ich sann über den gemeinsamen Tag mit Sirirat nach. Ihre bezaubernde Erscheinung, ihre Gebärden, ihre Erzählungen. Unglaublich, welches Wissen sie in sich trug und ich wunderte mich, wie das alles in ihren zierlichen und hübschen Kopf passte.

Dazu noch ihre kurzzeitige Traurigkeit, ohne Übergang gefolgt von fröhlichem Humor und besonders ihr Hinweis, dass sie ihrem Vater nie wehtun könnte. Wieso hatte sie das überhaupt erwähnt? Gab es da etwa Unstimmigkeiten zwischen ihr und ihrem Vater?

Der General, wollte es sich nicht nehmen lassen, sich von mir zu verabschieden und erschien bald gutgelaunt.

„Wie ich höre, habt ihr einen angenehmen Tag verbracht. Sirirat schien sehr entspannt zu sein, als sie mir berichtete. Ich hoffe, auch du hattest eine schöne Zeit.“

„Ja, schön auch, aber vor allen Dingen interessant und faszinierend. Deine Tochter steckt voller Geschichten über die Thanon Charoen Krung. Ich konnte gar nicht genug davon bekommen. Außerdem, hm, ist sie eine bezaubernde Person“ antwortete ich.

„Das freut mich, Hermann. Ich hatte gehofft, dass es so kommt. Die Erinnerungen an unsere alteingesessene Familie und die Orte ihrer Kindheit entlang der Thanon Charoen Krung haben Sirirat sehr gut getan. So ausgeglichen habe ich sie schon länger nicht mehr erlebt. Ich habe sie dir nicht umsonst als Touristenführerin aufgeschwatzt.“ erwiderte der General lachend.

Den letzten Satz verstand ich noch nicht so richtig. Das andere konnte ich mir gar nicht vorstellen. Sirirat und unausgeglichen. Für mich war sie von Anfang an die Harmonie in Person.

„Sie scheint einen Entschluss gefasst zu haben.“ fuhr der General fort. „Euer Spaziergang und ihre Rückbesinnung auf das wichtigste in ihrem Leben, nämlich unsere Familie und Ahnen, hat ihr offensichtlich die nötige Stärke dazu gegeben. Mein Wunsch wurde mir erfüllt und daran bist auch du nicht unschuldig. Danke.“

Für mich sprach er in Rätseln, aber es schien etwas zu sein, was ihn sehr beschäftigte. Höflichkeit und Respekt verboten es mir, gerade aus nach der Bedeutung seiner Worte zu fragen.

„Wann kommst du wieder?“ wechselte der General abrupt das Thema.

„In drei Tagen.“ war meine spontane Antwort. Die gleiche, die ich heute schon einmal im Sinn hatte, aber verschwieg, ohne mir im Klaren darüber zu sein, ob das überhaupt möglich wäre. Aber ich hatte ja genug Zeit in Singapur um das zu regeln.

Sehr gut. Mo wird sich freuen. Sie hat dir noch lange nicht alles erzählt und wird dir weiterhin als Führerin, wenn immer du hier bist und Zeit hast, zur Verfügung stehen.“

Mo, wie bitte?“ platzte ich heraus. Ich hatte also recht, als ich glaubte, diesen Namen für Sirirat heute schon einmal am chinesischen Schrein gehört zu haben.

„Ja, Mo. Hat sie dir das nicht gesagt? Du weißt ja, dass alle Thais neben ihrem Vornamen auch einen ganz kurzen Spitznamen haben.“

Das wusste ich, aber bei dem wohlklingenden und romantisch exotischem Namen Sirirat wäre es mir nie im Traum eingefallen, nach ihrem Spitznamen zu fragen.

„In jeder, na ja, zumindest in jeder zweiten Generation unserer Familie gab es eine Mo. Eine, die sich an den Geschichten unserer Familie nie satt hören konnte, die alles wissbegierig aufsaugte und an ihre Kinder weitergab und gleichzeitig ein Tagebuch führte. Von unserer hochverehrten Mo aus Ko Kret hast du ja sicher gehört?“

„Ja, jetzt wird mir so einiges klar….“

„Meine Tochter Mo ist die bisher letzte in dieser Reihe und ich wünsche mir von ganzem Herzen, dass sie diese Tradition weiterführt. Wir sehen uns in drei Tagen. Bye bye Hermann.“

„Ach ja und noch was. Ich freue mich schon auf ihre Rückkehr nach Bangkok in ein paar Tagen, denn ich möchte ihnen ein Angebot unterbreiten. Es ist eine längere Geschichte und die Zeit reicht jetzt nicht, näher darauf einzugehen…“

Meine Träume in der Nacht vor meinem Abflug morgen früh waren voller Bilder. Bilder einer Welt, in der Vergangenheit und Gegenwart gleichzeitig nebeneinander existieren. Das betraf die Stadt Bangkok selber und auch deren Menschen, die die Erinnerungen an ihre Vorfahren lebendig hielten.

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Iffi

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Mo – Die Zukunft beginnt

Auf dem Flug nach Singapur hatte ich ein Buch von Somerset Maugham (1874 - 1965) im Handgepäck. Das hatte ich mir im Buchladen des Oriental Hotels gekauft. Er war einmal ein berühmter Gast dieses Hotels. Sogar eine hochherrschaftliche Suite im Author’s Wing ist nach ihm benannt.

Somerset Maugham Suite im Oriental Hotel


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Ein Abschnitt in seinem Buch voller Kurzgeschichten über seine Süd-Ost-Asien Reisen traf mich tief in’s Herz.

„Manche Menschen sind am falschen Ort geboren. Sie fühlen sich dort fremd und ein unwiderstehlicher Drang treibt sie hungrig an weit entfernte Orte auf der Suche nach einer permanenten Heimat. Wenn solch ein Wanderer auf einen Ort trifft, von dem er sich geheimnisvoll und unwiderstehlich angezogen fühlt, kommt ihm leicht der Gedanke, dass er genau dort hingehört. Selbst wenn er diesen Ort wieder verlassen muss, bleibt ein Teil seiner selbst für immer dort und er wird nie mehr wieder die gleiche Person sein wie vorher.“

Ich schlug das Buch augenblicklich zu, denn diese Sätze waren wie ein Offenbarung für mich. Die musste ich erst einmal verarbeiten. Mir wurde plötzlich etwas klar, was schon länger in mir rumorte.

Auch ich bin ein Wanderer. Meinen Job, der mich um die Welt führt, habe ich nicht von ungefähr gewählt. Ja, er ist gut bezahlt und ich führe ein Luxusleben auf meinen Geschäftsreisen, bin immer wieder fasziniert von fremden Orten und Menschen, aber das ist nur die halbe Story.

Ich bin in Wirklichkeit auf der Suche nach irgendwas und mir wurde schlagartig klar, nach was. Sirirat hatte mir mit ihrer Geschichte von der Kleinen Mo und der Stadtführung die Augen geöffnet.

Wie schön die, das unstetige Herz beruhigende, heimelige Einbettung in einer uralten Familiengeschichte und Tradition doch ist. Wie sehr damit das warme Gefühl „Zuhause zu sein“ verbunden ist.

Vielleicht hatte auch ich mein Zuhause endlich gefunden….
 

Iffi

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Epilog

Wie die Geschichte der „Kleinen Mo“ und ihrer Familie weitergeht, bleibt dem Leser überlassen. Jeder nach seiner Fasson.

Nur eines steht fest. Es wird auch in Zukunft immer wieder ein kleine Mo geben, die ihre Kinder und Enkelkinder für die Mon Familiengeschichte von Ayutthaya nach Kho Kret, von Kho Kret an den Khlong Lord, vom Khlong Lord in die Stadt Bangkok und von dort in die weite Welt, begeistern wird und ganz vielleicht gehört dann auch ein gewisser Hermann Löwel, der „Löwenartige“, dazu…

P.S. Hermann wird einmal ein Buch über die Mon in Thailand schreiben. Aber das dauert seine Zeit, denn die Geschichte der kleinen Mo reicht viel weiter in die Vergangenheit Thailands zurück, als hier beschrieben. In eine Zeit, als es selbst Siam noch nicht gab.

Es ist ist nicht unbedingt böswillig und geschichtsverfälschend von den Thais gemeint, wenn sie die herausragende kulturelle Rolle der Mon in Siam und Thailand für unsere Begriffe nicht gebührend hervorheben.

Die Mon in Thailand fühlen sich durch und durch als Thais. Es ist ihre Anpassungsfähigkeit, die sie in Thailand überleben liess. Nicht wenige Mon sind sogar Royals in der heutigen chakri Dynastie Thailands. Ja, es ist nicht all zu sehr gewagt zu behaupten, dass in der heutigen chakri Dynastie ein gerütteltes Mass an Mon Blut fliesst, genauso wie bereits vorher in den Königshäusern von Ayutthaya. Besonders die Mon Frauen hatten und haben den Ruf äusserst hübsche, elegante, wohlgewachsene, charmante und intelligente Frauen zu sein.

Vor vielen Jahrhunderten in Burma, ihrem Ursprungsland, hatten sie allerdings keine chance. Dort wurden sie zeitweilig verfolgt, versklavt und gequält.

Auf dem Boden des heutigen Thailands waren sie vor über 1,200 Jahren massgeblich an der Einführung des Buddhismus beteiligt und haben besonders den Reisanbau in bewässerten Feldern eingeführt. Vieles, was wir heute als typisch Thai betrachten ist eigentlich typisch Mon. Auch viele Trachten und heutige Thaifestlichkeiten basieren auf den Bräuchen der Mon. Genauso wie auf denen der Khmer. Mon und Khmer gehören zur gleichen Sprachfamilie,

Ihre Körperstatur unterscheidet sich heute noch von den Siamesen (Thais). Sie sind grösser und nicht so zwergenhaft wie viele Thais. D.h. sie sind mindestens 1,65 gross. Ihre
Gesichter kann man nicht anders als lieblich bezeichnen.

Vielleicht die zukünftige Mo?

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Wer auch immer einem That-Mädel ab dieser Grösse begegnet und nicht gerade an einen Kathoy gerät, darf zumindest vermuten, dass in ihren Adern eventuell Mon Blut fliesst.
 

joleg

irtigfe pfidere
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„Manche Menschen sind am falschen Ort geboren. Sie fühlen sich dort fremd und ein unwiderstehlicher Drang treibt sie hungrig an weit entfernte Orte auf der Suche nach einer permanenten Heimat. Wenn solch ein Wanderer auf einen Ort trifft, von dem er sich geheimnisvoll und unwiderstehlich angezogen fühlt, kommt ihm leicht der Gedanke, dass er genau dort hingehört. Selbst wenn er diesen Ort wieder verlassen muss, bleibt ein Teil seiner selbst für immer dort und er wird nie mehr wieder die gleiche Person sein wie vorher.“

da steckt sehr viel Wahrheit in den Worten. Welch Glück, wer seinen tiefsten Wünschen eine neue "Heimat schenken" kann..
 
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